: Maxwells Medienimperium bröckelt
Der britische Verleger steht vor einem Schuldenberg/ US-Journalist wirft ihm Mossad-Kontakte vor ■ Von Ralf Sotscheck
Rom am 30. Spetember 1986: Der Atomtechniker Mordecai Vanunu wird auf offener Straße vom israelischen Geheimdienst Mossad gekidnappt, betäubt und nach Tel Aviv geschmuggelt. Dort wird er zu 18 Jahren Haft verurteilt, weil er gegenüber der britischen 'Sunday Times‘ Einzelheiten über die wahre Anzahl der israelischen Atomwaffen ausgeplaudert hat. Seitdem sitzt er in Isolationshaft.
Woher wußte der Mossad so genau über Vanunus Aufenthaltsort bescheid? Die Antwort gibt der US- amerikanische Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh in seinem Buch The Samson Option, das kürzlich veröffentlicht wurde. Nicholas Davies, seit 30 Jahren Auslandschef beim 'Daily Mirror‘, soll Vanunu an den Mossad verraten haben, behauptet Hersh. Außerdem habe Davies in den vergangenen zehn Jahren wiederholt israelische Waffen in den Iran verschoben und das Embargo durchbrochen. Und, so der Autor weiter, auch Davies Chef, der Großverleger Robert Maxwell, unterhalte enge Beziehungen zum israelischen Geheimdienst. Maxwell konterte die Anschuldigungen, wie man es von ihm gewohnt ist: Er reichte am Mittwoch Klage ein.
Weder Rundfunk und Fernsehen, noch Verlage, Buchläden, Journalistengewerkschaften oder die überregionalen britischen Zeitungen waren in der Vergangenheit vor Maxwells Anwälten sicher. Im September erwischte es sogar Panorama, die renommierte BBC-Dokumentationssendung. Panorama hatte Maxwells Boulevardblättern Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der verkaufsfördernden Lotto- und Bingo- Spiele vorgeworfen.
Nur eine Auflagensteigerung kann den Zerfall des Medienimperiums noch aufhalten, zu dem auch die 'Berliner Zeitung‘ gehört. Vor allem die Privatunternehmen des Verlegers stehen vor einem Schuldenberg in Höhe von rund drei Milliarden D-Mark, der ihn zum Verkauf der Mehrheitsanteile an seinem Paradepferd, dem Boulevardblatt 'Daily Mirror‘ zwingen könnte. Allein schon die europäische Wochenzeitung 'European‘ soll Woche für Woche einen Verlust von 1,5 Millionen D-Mark einfahren. Alle Versuche, das Blatt loszuwerden, sind bisher gescheitert. Auch die 'New York Daily News‘, die Maxwell erst Anfang des Jahres erwarb, schreibt rote Zahlen.
Die Bankkredite für die Unternehmen sind durch Anteile an Maxwells Aktiengesellschaften abgesichert — so halten die Banken derzeit fast ein Fünftel der Maxwell-Aktien an der 'Mirror‘-Gruppe (MGN). Erst im Frühjahr ist MGN in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, in der der Verleger nur noch 51 Prozent der Anteile besitzt. Für den Verkauf strich er rund 600 Millionen D-Mark ein, die er für Verbindlichkeiten seiner Firmen hinblättern mußte. Da die Auflage des 'Daily Mirror‘ auf 2,9 Millionen zurückgegangen ist, sank auch der Aktienwert von 1,25 Pfund auf 89 Pence.
Auch Maxwells zweite Aktiengesellschaft steckt in Schwierigkeiten: „Maxwell Communication Corporation“ (MCC), die er zu einem weltumspannenden Mediennetz ausbauen wollte, nahm 1988 Kredite in Höhe von rund 9 Milliarden D-Mark auf, um Macmillan und den Official Airlines Guide zu erwerben. Deren Wert ist seit dem Kauf deutlich gesunken; Ende des Jahres muß MCC über die Dividende entscheiden. Maxwell sitzt in der Zwickmühle: Die Profite erlauben nur eine schmale Ausschüttung. Dadurch könnte der Aktienwert weiter sinken, was neue Probleme mit den Kreditgebern auslösen würde, da Maxwell als Sicherheiten MCC-Aktien hinterlegt hat. Die Taktik, sich stückweise von Nebenzweigen seines Imperiums zu trennen, geht nicht auf. „Er muß sich klarmachen, daß diese kleinen Transaktionen nicht ausreichen werden“, bemerkte ein Wirtschaftsexperte. Maxwells Alptraum — der gezwungene Verkauf seiner 'Mirror‘-Aktienmehrheit — könnte bald Realität werden.
So kommen dem Mediengiganten die Vorwürfe, enge Beziehungen zum Mossad zu unterhalten, höchst ungelegen. Ausgerechnet ein Labour-Abgeordneter, George Galloway, forderte im Unterhaus die Einsetzung einer Untersuchungskommission. Maxwell, der seit Jahrzehnten treuer Anhänger der Labour Party ist, saß von 1966 bis 1970 für die Partei im Unterhaus. Viele Parlamentarier haben ihn in dankbarer Erinnerung behalten: Als Vorsitzender des Verpflegungsausschusses ließ er damals erlesene Weine auf die Speisenkarte der Unterhaus-Kantine setzen.
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