piwik no script img

Palazzo triste

■ Ein Hausmeister-Extra, SFB3, 20.15Uhr

Um meinen Palast sieht's jetzt traurig aus“, sagt Bartz und verbessert sich: „Nein, mein Palast ist es ja nicht, unser Palast.“ Es wird wohl wirklich niemand aus dem Westen verstehen, was die Ostdeutschen an ihm finden. 1976 wurde ihr Palast der Republik, wegen seiner Spiegelfassade auch Palazzo Prozzo genannt, eingeweiht. Dort tagte die Volkskammer, tanzte das Fernsehballett. Seit damals ist Herr Bartz Hausmeister einer hochamtlichen und hoch politisierten Vergnügungsstätte, die einmal 1.800 Mitarbeiter zählte. Heute ist der Palast verwaist: wegen Asbestverseuchung „leider geschlossen“, sagt Bartz und hält auf seinem Finger trotzig ein winziges Stückchen des inkriminierten Materials hoch.

Die Kamera folgt ihm und seinen Kollegen auf dem Rundgang durchs Haus. „Unsere Hauptbeschäftigung ist jetzt, aufzuräumen“, meint Bartz. Er und seine Kollegen müssen sich täglich der quälenden Frage stellen, was aus des Palastes Vergangenheit sie dem Müll, und was einer ungewissen Zukunft überantworten wollen. Tischkarten, Urkundenmappen, Kalender, leere Sektflaschen („Da hat er — Honecker, d.Red. — sich bei Laune gehalten“) werden weggeschmissen, aber was passiert mit dem Inventar der Maske und der Garderobe? Damit die aufwendige Bühnen- und Saaltechnik nicht verrostet, wird sie jeden Tag einmal vor unendlich leeren Stuhlreihen in Gang gesetzt. Den Filmemachern Arpad Bondy und Margit Knapp Cazzola gewährte die Familie Bartz Eintritt in ihre Privatsphäre. Sie leben in einer Neubausiedlung: „Wenn wir die Tür zumachen, wohn ich gern da“, lautet der bezeichnende Kommentar. Man merkt, die Herr und Frau Bartz sind nicht gewohnt, vor der Kamara statt hinter den Kulissen zu wirken. Sie stehen nicht Rede und Antwort, sondern sie spielen mit, spielen gutwillig ihr Leben vor, nehmen das Team mit zur Geburtstagsfeier und zum Autokauf, dem Traumauto. Zu mehr reicht es nicht: „Ich hatte eigentlich nie Träume“, sagt Bartz und steht vor dem großen Wandbild des Palastes. Es zeigt die lächelnden Helden der Arbeit, aber Bartz guckt ernst: „Ich werde meine Arbeit ordentlich machen.“ Das Ehepaar Bartz ist freundlich, anspruchslos, ohne Träume und Fragen, auch jetzt noch. Wehmütig sind sie, und geben mit ihrer Wehmut ein unendlich trauriges Bild ab. Draußen demonstrieren Arbeitslose. Des Hausmeisters Blick aus dem Fenster fällt auf den Demonstrationszug wie ehemals am 9. November. Damals habe er gesagt: Irgendwann gehen die wieder auf die Straße und sagen „So wollten wir es auch nicht“. Der Film entstand vergangenen Winter und Frühjahr. Inzwischen ist auch Hausmeister Bartz entlassen worden. Ob er nun demonstrieren geht? Sabine Seifert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen