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Kambodschas Prinz wieder zu Hause

Prinz Norodom Sihanouk kehrt heute in seinen alten Königspalast in Phnom Penh zurück/ Der Politiker der Überraschungen und Umwege hat es verstanden, jahrzehntelang zwischen den Fronten zu lavieren und sich damit unentbehrlich zu machen  ■ Von James Burnet

Paris (taz) — Nach dreizehnjährigem Exil kehrt heute der ehemalige König Kambodschas, Prinz Norodom Sihanouk, in seine Heimat zurück. Gestern wurden im alten Königspalast, in den letzten Wochen eilig renoviert, die letzten Vorbereitungen getroffen: Nun hängt über dem Haupttor des Palastes ein riesiges Portät, das einen um viele Jahre verjüngten Prinzen zeigt.

Nach dem am 23. Oktober unterzeichneten UN-Friedensplan soll Sihanouk als Vorsitzender des Obersten Nationalrates gemeinsam mit den vier Bürgerkriegsparteien — und unter Ägide der UNO — den Übergangsprozeß bis zu freien Wahlen garantieren. Für die Bevölkerung Kambodschas, des von zwanzig Jahren Krieg und Bürgerkrieg zerrütteten Landes, symbolisiert Prinz Sihanouk die Hoffnung auf nationale Versöhnung und Frieden.

Sihanouk ist in der westlichen Öffentlichkeit oft als schillernde und unberechenbare politische Persönlichkeit dargestellt worden. Dies ist jedoch eine sehr unexakte Beschreibung. Tatsächlich läßt er sich vielmehr als Politiker der Überraschungen und Umwege beschreiben. Dafür lassen sich viele Gründe finden. Denn Kambodscha ist ein kleines Land, das in der modernen Geschichte häufig durch seine Nachbarländer, durch Vietnam und Thailand, bedrängt wurde. Deshalb mußte Sihanouk während seiner Jahre an der Macht, von 1942 bis zum von den Amerikanern unterstützten Putsch 1970, ein Equilibrium zwischen diesen beiden Ländern aufrechterhalten. In den sechziger Jahren hat Sihanouk versucht, sein Land aus dem Vietnam-Konflikt herauszuhalten — und das heißt auch aus dem Kalten Krieg, der diesen regionalen Konflikt vollständig durchdrungen hat.

Deshalb stützte sich Sihanouk sowohl auf die USA als auch auf die UdSSR. Diese politischen Bedingungen, in denen sich Kambodscha in den letzten zwanzig Jahren befunden hat, begründen das große Mißtrauen Sihanouks gegenüber den Ländern, die direkt oder indirekt an dem Kambodscha-Konflikt beteiligt waren. Vor allem aber gegenüber den Supermächten, den USA und der Sowjetunion. Für diese Haltung ist übrigens symptomatisch, daß Sihanouk bei der Unterzeichnung des Kambodscha-Abkommens in Paris am 23. Oktober beiden Mächten nicht besonders für ihre Rolle bei der Suche nach Frieden für Kambodscha gedankt hat.

Seine Haltung gegenüber China ist völlig anders. Die chinesische Regierung war die einzige, die versucht hat, Sihanouk nach dem Putsch von 1970 wieder zur Macht zu verhelfen. Daher läßt sich sagen, daß Sihanouk jede Form von Allianzen mit äußerstem Mißtrauen sieht. Er beobachtet stets mit höchster Aufmerksamkeit die Änderungen, die auf der internationalen Politikbühne vor sich gehen, denn er weiß genau, daß Kambodscha keine Chancen hat, sich den großen Mächten gegenüberzustellen.

Eine Schlüsselfrage für die Zukunft Kambodschas ist die Verständigung Sihanouks mit dem Chef der von den Vietnamesen nach 1979 gestützten Regierung in Phnom Penh, Hun Sen. Ohne eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beiden ist ein Frieden in Kambodscha unmöglich zu erreichen. Denn nur sie haben die moralische Autorität, um die Abenteurer in ihren jeweiligen Lagern ruhigzustellen, das heißt: auf der Seite Sihanouks die Roten Khmer und die proamerikanische Gruppe von Son Sann und auf der Seite von Hun Sen die alten Mitglieder der Kommunistischen Partei.

Darüber hinaus respektieren sich Sihanouk und Hun Sen. Während ihres ersten Treffens in der Nähe von Paris im Dezember 1987 hatte Sihanouk erklärt, als er von Hun Sen sprach, „dies ist das erste Mal, daß ich einem intelligenten Kambodschaner begegne!“ Seit dieser Begegnung haben die beiden politischen Führer während der folgenden Friedensverhandlungen ihre Verhandlungen Bindungen geschaffen, die stark sind. Darüber hinaus kennt Hun Sen sehr genau das Gewicht, das Sihanouk bei der kambodschanischen Bevölkerung hat, und Sihanouk weiß von der Autorität, die Hun Sen bei der Regierung von Phnom Penh hat, die während der Periode des Übergangs bis zu zu den allgemeinen Wahlen im Jahr 1993 weiter amtieren wird. Beide sind entschlossen, das Schiff Kambodscha in einen sicheren Hafen zu lenken — sie wollen den Frieden.

Sihanouk hat seine Selbstkritik über seine Form der Regierung bis 1970 hinter sich. Er hat implizit eingestanden, daß er in dieser ganzen Periode als absoluter Herrscher regiert hat. Er wird König von Kambodscha bleiben, als integraler Teil der kambodschanischen Kultur. Aber er scheint entschlossen, aus Kambodscha ein modernes Land mit modernen Institutionen zu machen. Er hat den ernsthaften Willen, daß sein Land sich zu einer wirklichen Demokratie entwickelt.

Er weiß, daß das Zeit brauchen wird: man kann nicht von einem Tag zum anderen ein Land, das nie demokratische Traditionen gekannt hat, in eine Demokratie überführen. Dafür gibt es viele Beispiele in der modernen Geschichte Asiens. Sihanouk zählt auf Hun Sen, um selber das Land als „aufgeklärter Monarch“ zu führen und mit einem tatsächlichen Prozeß der nationalen Versöhnung die Basis für eine zukünftige Demokratie zu legen.

Ab heute ist damit zu rechnen, daß sich Sihanouk vollständig von seinem Bündnis mit den Khmer Rouge freimacht. Die westlichen Länder tragen eine große Verantwortung für die „zweite Alliance“ zwischen dem Prinzen und den Roten Khmer nach der vietnamesischen Invasion im Jahr 1979. Die westlichen Länder taten nichts dafür, die Reste der bewaffneten Kräfte der Khmer Rouge nach ihrer damaligen Niederlage zu vernichten. Für die Zukunft verfügen die Roten Khmer immer noch über ein bedeutendes Potential, sei es wirtschaftlich oder militärisch. Die Armee der Roten Khmer wird auf 15.000-20.000 wohltrainierte und bewaffnete Soldaten geschätzt, und sie verfügen immer noch über bedeutende wirtschaftliche Mittel, die ihnen in der Vergangenheit über China und die USA zugeflossen sind. So ist nicht sicher, ob die Khmer Rouge die neuen Spielregeln in Kambodscha respektieren werden.

Bedingung für eine Neutralisierung der Roten Khmer ist vor allem eine rapide wirtschaftliche Entwicklung Kambodschas. Dafür ist nötig, daß die ausländische Wirtschaftshilfe gerecht verteilt wird. Diese Aufgabe ruht auf den Schultern von Sihanouk und Hun Sen. Wenn diese Mittel und der Frieden nicht der gesamten Bevölkerung zugute kommen, bietet sich für die Roten Khmer eine Chance, bei Teilen der Landbevölkerung ihre Unterstützung zu halten.

Phnom Penh putzt sich heraus

Phnom Penh (afp) — In Phnom Penh sind die Putzkolonnen angerückt. Maler machen das Geschäft ihres Lebens. Hotels und Restaurants verdienen an ausländischen Journalisten und Geschäftsleuten. Bettler werden vor die Tore der Stadt gekarrt. Um den renovierten Palast lagern normalerweise um die 200 Obdachlose. Sie wurden davongejagt — gegen Entschädigung, wie Diplomaten versichern.

Den Geldwechslern in der kambodschanischen Hauptstadt ist allerdings das Geschäft verdorben: Der Schwarzmarktkurs für die Landeswährung Riel ist innerhalb einer Woche um neun Prozent gefallen.

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