INTERVIEW: Eine Heidi gegen acht US-Amerikanerinnen
■ Interview mit dem Fußball-Bundestrainer der Frauen Gero Bisanz (56) vor der Weltmeisterschaft in China
Vor dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in China (16. bis 30. November) laufen die Vorbereitungen der deutschen Frauschaft auf Hochtouren. Die taz befragte Bundestrainer Gero Bisanz nach den Perspektiven und Chancen des Frauenfußballs in der Bundesrepublik.
taz: Damenfußball wurde in der Vergangenheit von Leuten wie Dynamo-Dresden-Trainer Helmut Schulte oder Ex-Nationalspieler Paul Breitner belächelt und diskriminiert. Hat sich das Bild vom Frauenfußball seit dem Gewinn der Europameisterschaft im Juli dieses Jahres in Dänemark gewandelt?
Gero Bisanz: Ich weiß nicht, ob es sich bei diesen Herren verändert hat. In der breiten Öffentlichkeit auf jeden Fall. Unsere Spiele sind gut angekommen.
Haben sie ein Feedback seitens Ihrer Kollegen aus der Männer- Bundesliga erhalten?
Positiv haben sich Hennes Löhr und Bundestrainer Berti Vogts geäußert. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte Berti, „findet ihr eigentlich keinen Gegner, der euch schlagen kann?“
Halten Sie eine Profi-Liga der Frauen für möglich?
Vielleicht in einigen Jahren. Man sollte das nicht zu früh fordern. Erst muß die Leistung stimmen, damit auch Zuschauer kommen. Dann gelangen wir auch verstärkt in die Medien und erhalten einen professionellen Background.
Gibt es im deutschen Nationalteam professionelle Spielerinnen?
Nein, keine einzige! Ganz anders dagegen die Chinesinnen, Norwegerinnen und die US-Amerikanerinnen. Die Fußballerinnen dieser Länder sind ausschließlich Vollprofis.
Wie ist das möglich?
In den USA spielen zum Beispiel viele Studentinnen im College täglich Fußball. Dort gibt es auch weniger Vorurteile gegen Frauenfußball als hierzulande. In der Volksrepublik China kommen bis zu 50.000 Zuschauer pro Spiel. Bei uns interessierten sich 20.000 für das EM-Finale.
Wie erklären Sie sich das Phänomen, daß in China oder den USA die Kickerinnen beliebter sind als ihre männlichen Kollegen?
Ich glaube, weil die Männer dort keinen Erfolg haben, stieg der Stellenwert des Frauenfußballs an.
Worin unterscheiden sich Frauen- und Männerfußball?
In den Eigenschaften, in denen sich auch Frauen und Männer unterscheiden. Den Frauen fehlt Kraft und Präzision. Physisch haben Frauen dadurch eine geringere Geschwindigkeit im Spiel. Von den technischen Elementen sind sie gleich.
Sind Frauen psychisch stärker?
Nein. Zum Beispiel Berti Vogts lebte als Spieler von seiner Willensstärke. Es gibt unheimlich stark engagierte, aber auch lustlose Frauen.
Worin liegen die Stärken im deutschen Team?
In der mannschaftlichen Geschlossenheit und der sicheren Abwehr. Dadurch können wir konstruktiven, offensiven Angriffsfußball spielen.
Was ist Ihr schönstes Erlebnis als Trainer der Frauen-Nationalmannschaft?
Natürlich die Gewinne der Europameisterschaften 1989 und 1991. Bei der ARD-Umfrage wurden wir zur Mannschaft des Jahres gewählt. Mir persönlich macht das Trainingslager am meisten Spaß.
Wer ist Ihr Angstgegner bei der WM in China?
Die USA. Die US-Amerikanerinnen sind eindeutiger Favorit des Turniers. Sie sind Profis und uns im psychischen Bereich überlegen. Die einzige deutsche Spielerin, die konditionell mithalten könnte, wäre Heidi Mohr. Auf eine Heidi kommen aber acht US-Amerikanerinnen.
Was reizt Sie persönlich daran, ein weibliches Team zu trainieren?
Ehrlich gesagt, zu Beginn meiner Tätigkeit wurde ich vom DFB verpflichtet, eine Frauen-Fußball- Mannschaft aufzubauen. Ich hatte nichts dagegen, aber es war mir suspekt. Ich versuchte, mich in die Psyche der Frauen hineinzuversetzen. Ich habe die Co-Trainerin Tina Theune-Meyer und junge Spielerinnen geholt. Mit dem Erfolg kam dann auch der Spaß. Aber nach zehn Jahren hätte ich auch gerne mal wieder mit Männern zu tun.
Wie verlief Ihr beruflicher Werdegang?
Als Zehnjähriger bolzte ich auf der Straße. Ich habe Sport studiert und war Ende der fünfziger Jahre Profi beim 1.FC Köln. Damals war ich Mittelstürmer. Hennes Weisweiler sah aber auch meine Stärken als Verteidiger. Mit 35 Jahren begann ich meine Trainerkarriere.
Spielt Ihre Tochter auch Fußball?
Nein. Mit 22 Jahren spielt sie Basketball in der 2.Bundesliga. Interview: Andrea Brettner
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