: Von Krieg, Kreuz, Kirche und Kunst
■ Vier Künstlerinnen stellen zum Thema Golfkrieg in der Lichterfelder Petrus-Kirche aus
Eine Ausstellung gegen den Krieg in einer Kirche? Nicht gerade ein Novum der letzten Stunde, aber immer noch die Ausnahme. Pastor Metzner von der Petrus-Kirche in Lichterfelde kennt da keine Berührungsängste und läßt sich auch schon mal den Altar mit Plastikteilen zuschütten, wenn es der holden Kunst dienlich ist. Die Ausstellungseröffnung zum Thema Golfkrieg am 8. November hat da vergleichsweise »zivilen« Charakter, beschränken sich Bilder und Objekte doch auf Wand und Boden.
Gestern war Heute — unter diesem Motto finden sehr unterschiedliche Arbeiten von vier Künstlerinnen einen gemeinsamen Nenner. In Anspielung auf den gleichnamigen Roman von Ingeborg Drewitz geben sie ihrer Betroffenheit zum Thema Golfkrieg einen künstlerisch-ästhetischen Ausdruck. In einem Zeitalter, wo der technologische Standard der Waffen den Krieg der Sterne in greifbare Nähe rückt, erinnern die politischen Hintergründe der Konfrontation auf fatale Weise an schon mal Dagewesenes, an überholt Geglaubtes. Gestern wieder heute. Damals wurde zur Überbrückung dieser Diskrepanz ein Medienspektakel inszeniert, das das Kriegsgeschehen in salonfähiger Verpackung in die westlichen Wohnstuben holte. Die Künstlerinnen setzten mit ihren Werken, die alle zwischen dem 1. Januar und dem 28. Februar 1991 entstanden sind, ein Zeichen gegen einen ins Irreale abgerutschten Fernsehkrieg.
Hilla Jablonsky (geboren 1932) kennt den Krieg. Auf dem Hintergrund autobiographischer Erinnerungen machen ihre Arbeiten in Öl auf Leinwand Spuren von Zerstörung im ästhetischen Prozeß sichtbar. Das mit Große Heiligkeit titulierte Gemälde ist überwiegend schwarz. Ein flugfähiges Gebilde aus Maschendraht dominiert die obere Bildhälfte, der rotglühende Streifen mit Ausläufern nach oben und unten läßt ein brennendes Objekt assoziieren — zum Beispiel Straßenzüge oder eine militärische Anlage. »Zerstörung ist für mich überwindbar durch Kreativfelder, Potenzlinien und Sensibilitätsgefüge«, sagt die Künstlerin.
Gisela Weimann (geboren 1943) ist in den Wirren der Nachkriegszeit großgeworden. Sie zerreißt 14 Aquarelle, deponiert sie in flachen schwarzen Kisten und gruppiert diese in Form eines Kreuzes. »Wenn es keinen Krieg mehr gibt, werde ich aus jedem Fragment ein neues Bild gestalten« — ein Gelöbnis, das sie wohl kaum jemals wird einlösen müssen.
Eine lange Sequenz DIN-A4-formatiger Aquarelle verfremdet Kirchenwände zum Soldatenfriedhof: Aus Verzweiflung über den Krieg hat Gisela Weimann die einst farbenfrohen Bilder bis auf ein Kreuz in der Mitte mit schwarzer Farbe übermalt.
Die Werke der jüngeren Künstlerinnen zeugen von einem distanzierteren Standpunkt. Kritik und Anklage stehen hier vor der emotionalen Betroffenheit. Christine Kühn (geboren 1953) verarbeitet den Antikriegstext von Wolfgang Borchert: Sag Nein! zu einem Labyrinth aus Buchstaben. Auf großformatigen Metallplatten läßt sie die Worte spiralförmig bis zur Unleserlichkeit verschmelzen. Dieses Bodenbild ziert den Eingang zum Kirchenschiff und wird unweigerlich mit Füßen getreten. Als Zugeständnis an das kreuzlastige Ambiente, so daß die braunen Bodenkacheln ein profanes Kreuz durch seine Mitte ziehen. Mag die Aussage dadurch eine neue Dimension erhalten, die Wirkungskraft der optischen Textinszenierung verliert aber an Intensität.
Eine sehr eindeutige und politische Position zur Kriegsthematik bezieht Angela Zumpe in ihrem achtminütigen Video Steinwelt. Dem Betrachter stürzen verfremdete Landschaften der Golfregion entgegen, eine steinerne Wüste. Der Horizont gebärt Textfragmente aus Peter Weiss' Die Besiegten. Es folgen wohlbekannte Bilder aus der Fernsehberichterstattung — endlose Panzerreihen, irakische Soldaten mit erhobenen Händen, Bush und Sadat, das Fadenkreuz über dem Zielobjekt. Die Bilder rutschen nach rechts aus dem Bildschirm, bleiben unverständlich und irreal. Als Kontrapunkt zum zensierten Material wird der amerikanische Abgesandte vor der UNO-Vollversammlung präsentiert, wie er die internationale Ächtung der Okkupation von Grenada, Panama und der Sinaihalbinsel mit seinem Veto blockiert. Daneben Bush als Apostel amerikanischer Doppelmoral, der vollmundig das Hohelied des gerechten Krieges gegen den Aggressor singt.
Wie jede Umgebung denjenigen zu beeinflussen vermag, der sich in ihr bewegt, hat sich die christliche Symbolik einen subtilen Einstieg in alle Werke der Künsterlinnen verschafft. Das Kreuz, das die Aufopferung des Messias zur Rettung der Menschheit in unauflöslicher Erinnerung hält, prangt nicht nur an seinem wohlbekannten Platz hinter dem Altar. Ob als flüchtig dahingehuscht anmutendes Fadenkreuz auf den Ölgemälden von Hilla Jablonsky oder als Position der Kisten mit den zerrissenen Aquarellen, das Kreuz begleitet den Betrachter durch diese Ausstellung und macht den Veranstaltungsort zum angemessenen Hintergrund für ein schweres Thema. Jantje Hannover
Bis 28. November in der Petrus- Kirche, Oberhofer Platz, Mo. 10-13 Uhr, Di. 13-19 Uhr, Mi.-Sa. 11-13 Uhr
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