: Fußball-Fans als erste Ampelopfer?
■ Finanzrunde signalisiert: Kein Geld mehr für Wahlversprechen / Bau erst nach '95
Links zur VIP-Lounge, rechts in den Regen.Foto: Tristan Vankann
Am 8. Februar soll es soweit sein: Dann will Werder Bremen die VIP-Logen in der neugebauten Südtribüne feierlich einweihen. Gut möglich, daß die Feiertagsstimmung bis dahin noch verfliegen wird. Während die VIPs warm, trocken, teuer und unter sich den Spielen zugucken werden, sollen die richtigen Fans möglicherweise noch Jahre weiter im Regen stehen. Denn der vor den Wahlen von allen Parteien versprochene zügige Neubau der
Osttribüne droht das erste Opfer bei den laufenden Finanzgesprächen der Ampelkoalition zu werden.
„Erhalt der Stehplätze auch bei einem Neubau“, heißt es sibyllinisch in dem Koalitionsvertrag. Gestern morgen wurde Klaus Wedemeier in der Verhandlungsrunde deutlicher: „Das Geld ist nicht da“, meinte der Bürgermeister ganz eindeutig. Für das Werder-Fan-Projekt ist das Wahlbe
trug. „Die Fans verlangen, daß die Zusagen eingehalten werden“, sagt Harald Klingebiel, einer der beiden Hauptamtlichen beim Projekt. Mit den Fans und dem Schlachthof hatte das Projekt unter der Überschrift „Sitzen ist für'n Arsch“ ein Modell erstellt, das Grundlage für eine bundesweit einmalige Tribüne hätte sein können. Außer einem Stehplatzbereich sollten in der Tribüne Raumangebote für Fans, aber auch für Stadtteilarbeit gemacht werden. Klingebiel: „Uns geht es nicht um ein Stadion aus einem Guß, sondern um einen Beitrag zum sozialen Klimawechsel.“
In den Verhandlungen des FanProjekts mit der städtischen Betreibergesellschaft war auch schon eine Grundlage für weitere Diskussionen gefunden worden. Und auch der alte Senat und die damalige Mehrheitsfraktion hatten beschlossen, im Anschluß an den Bau der Südtribüne die Fankurve neuzubauen, ein Beschluß, auf dessen Umsetzung Sportsenator Kröning nach wie vor setzt: „Es wäre falsch, die Modernisierung nach zwei Dritteln abzubrechen.“ Erst wenn das Stadion ganz fertiggestellt sei, sei es auch für internationale Veranstaltungen konkurenzfähig.
25 — 30 Millionen Mark würde der Neubau der Ostkurve kosten. Aber anders als bei den Sitzplätzen und dem VIP-Bereich würde Werder Bremen sich diesmal nicht an der Finanzierung des Baus beteiligen. Werders Manager Willi Lemke: „Die Stadt hat uns beim letzten Mal so über den Tisch gezogen.“ Da war Werder mit 4,8 von 28 Millionen dabei. Lemke: „ Es gibt nirgendwo in der Bundesrepublik, einen Sportverein, der sich so massiv an der Sanierung eines städtischen Stadions beteiligt hat.“ Auch Lemke erinnert an die Wahlversprechen aller Parteien und verspricht den Werder-Fans: „Ich kämpfe an ihrer Seite.“
Zu kämpfen hat auch der Grüne Fraktionssprecher Martin Thomas und zwar mit seiner eigenen Partei. Die Grünen, die im Wahlkampf sogar Flugblätter für einen Neubau der Fankurve im Stadfion verteilt hatten, haben noch nicht definitiv festgelegt, mit welcher Haltung zum Stadionausbau sie letzendlich in die Haushaltsberatungen gehen wollen. Dagegen ist für Sportpolitiker Thomas klar: „Wenn man das Versprechen bricht, kann das bei den Fans verheerende Auswirkungen haben.“ Die Stadt und auch Werder müßten ihrer sozialpolitischen Verantwortung gegenüber den Jugendlichen nachkommen. Unterstützugn könnte Thomas bei dem möglicherweise neuen Sportsenator Friedrich van Nispen (FDP) bekommen. Auch van Nispen hält wenig davon, den Bau vorzeitig abzubrechen.
Eine Schlüsselposition beim Poker um die Tribüne fällt der SPD-Fraktion. Deren Vorsitzenden Dittbrenner, so berichtet das Fan-Projekt, habe bei einem Gespräch vor der Wahl grundsätzliche Unterstützung der Pläne signalisiert. "Jetzt sind wir zu dritt, da ist das nicht mehr so einfach", sagt Dittbrenner jetzt. „Aber wir wollen versuchen, daß bei den Haushaltsberatungen noch auf die Reihe zu bringen." hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen