Kommt nun das neue Südafrika?

Heute beginnen Parteiengespräche, die am 20. Dezember in Verfassungsverhandlungen münden sollen/ Mißtrauen über angebliche Vorabsprachen zwischen ANC und Südafrikas Regierung  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

In Südafrika beginnt heute der Verhandlungsprozeß über eine neue Verfassung. Vertreter von 22 politischen Gruppierungen aus fast dem gesamten politischen Spektrum des Landes treffen sich Ende Dezember in Johannesburg zur Vorbereitung einer vollwertigen Allparteienkonferenz.

Im Vorfeld des Treffens hat es heftigen Streit zwischen verbündeten Oppositionsgruppen gegeben. Der radikalere „Panafrikanistische Kongreß“ (PAC) warf am Mittwoch dem „Afrikanischen Nationalkongreß“ (ANC) vor, in Geheimverhandlungen mit der Regierung schon eine Reihe von wichtigen Punkten vorentschieden zu haben. Dabei berief der PAC sich auf einen ihm zugespielten Bericht über ein vertrauliches Treffen des ANC-Beauftragten für Internationales, Thabo Mbeki, mit Botschaftern afrikanischer Staaten bei der UNO letzte Woche in New York. Dem Bericht zufolge sagte Mbeki, daß der ANC mit der Regierung die Einsetzung einer Interimsregierung schon im Februar nächsten Jahres vereinbart habe. Außerdem habe der ANC seine bisherige Forderung nach der Wahl einer Verfassunggebenden Versammlung aufgegeben.

Der PAC, der mit dem ANC und anderen Oppositionsgruppen vor kurzem eine „Patriotische Front“ gebildet hatte, sprach von „Täuschung und Hinterhältigkeit“ des ANC. Der ANC habe die Patriotische Front übergangen.

Sowohl der ANC als auch die Regierung dementierten am Mittwoch sofort, daß es irgendwelche geheimen Abmachungen gebe. Seit April habe es keine Diskussionen zwischen ANC und Regierung über Verfassungsfragen gegeben, sagte ANC- Generalsekretär Cyril Ramaphosa. Der ANC werde sich „über andere Wege als die Medien“ mit dem PAC in Verbindung setzen.

Der Streit zwischen PAC und ANC wird die Verfassungsverhandlungen zwar nicht in Gefahr bringen. Aber Mißtrauen über die Kontakte zwischen ANC und Regierung hinter verschlossenen Türen sind nicht nur beim PAC zu spüren. Auch an der Basis des ANC und unter weißen Wählern gibt es Befürchtungen, daß die jeweiligen Führungsspitzen schon viel weiter in ihrer Verständigung sind, als öffentlich zugegeben wird. Deshalb wird der Verlauf der jetzt einsetzenden öffentlichen Konferenzen besonders genau beobachtet werden.

Das heutige Treffen soll den Rahmen für eine am 20. Dezember geplante Allparteienkonferenz festlegen. Noch ist so gut wie alles offen: die Zahl der Delegierten jeder Partei, der Veranstaltungsort, die Tagesordnung und die Zeitplanung der Verfassungsdiskussionen. Auch ein Vorsitzender für die Konferenz muß berufen werden. Dafür ist beispielsweise der Oberste Richter Südafrikas im Gespräch. Der ANC wünscht zusätzlich die Beteiligung zwei prominenter Kirchenleute — eines Schwarzen und eines Weißen. Das lehnt aber die Zulupartei Inkatha ab, weil sie Kirchenführer nicht für unparteiisch hält.

Neben Inkatha, ANC, PAC und der regierenden Nationalen Partei (NP) kommt die Mehrheit der Delegierten bei dem heutigen Treffen von kleinen Parteien aus den Homelands, den Apartheid-Reservaten für Schwarze. Die Homeland-Parteien sind mehrheitlich Mitglieder der Patriotischen Front. Nicht vertreten bei dem Treffen sind rechtsextreme Organisationen, die den gesamten Prozeß als Verrat des weißen Volkes verurteilen. Auch die linke „Azanische Volksorganisation“ (AZAPO) boykottiert die Verhandlungen, die sie als Ausverkauf des schwarzen Volkes darstellt.

Zentrales Thema des Verhandlungsprozesses wird in den nächsten Wochen die Bildung einer Interimsregierung sein. Die NP, die das bisher vollkommen abgelehnt hatte, hat inzwischen Flexibilität angedeutet. Eine Reihe von gemeinsamen Entscheidungsgremien, beispielsweise im Umgang mit den Sicherheitskräften und in der Bildungspolitik, gibt es schon. Der ANC fordert aber den formellen Rücktritt der derzeitigen Regierung de Klerk und die Einsetzung einer Übergangsregierung mit Vertretern aller Parteien.