piwik no script img

„Diese Lämmermethode führt in die Katastrophe“

■ Kunicks Abrechnung mit Bürgermeister Klaus Wedemeier und der Verhandlungskommission der SPD

Die Rede des scheidenden Bau- und Häfensenators Konrad Kunick auf dem Unterbezirksparteitag West der SPD am vergangenen Mittwoch geriet zu einer einzigen Abrechnung mit der Politik von Klaus Wedemeier. Die taz dokumentiert Auszüge:

„Wir müssen über den Konflikt, den wir haben, frei reden können. Und ich will eins ganz deutlich sagen: Ich stehe diesem Präsidenten für eine Senatsbildung nicht mehr zur Verfügung. Das ist vorbei. Im Bremer Senat unter Bürgermeister Klaus Wedemeier: Nein.

Was mir an der Personaldiskussion leid tut, ist, daß wir so reden, als wenn wir nur Frauen von außen brauchen könnten. Und die Genossin Gaertner hat mir gut gefallen. Manchmal könnten wir auch Männer von außen brauchen. Richtige Männer, wie zum Beispiel Johannes Rau.

Es war doch nicht der, der das Ausländeramt gehabt hat, der da im Sommer die Idee gehabt hat, bei dem Verfassungsartikel 'Verfolgte genießen Asylrecht' dürften nur dreihundert mehr in diese Stadt, und der von sich aus erst einmal für Rumänen und Polen diesen Verfassungsartikel außer Kraft gesetzt hat. Das war nicht Peter Sakuth. Und wenn man den, der diese Verfassung in ganz besonderer Weise zu wahren hat, in der Gschäftsverteilung (Kröning, d.Red.), wenn man den dann in Sachen Innenpolitik an der Stelle nicht verhaut, sondern das auf Peter Sakuth ablädt, dann muß ich sagen. Dies ist bitter.

Trotzdem: Diese Liste wird nicht mehr verändert werden. Sie haben uns in Bremen West vor's Loch gesetzt, wo jeder Veränderungsantrag daneben laufen muß. Das muß man zur Kenntnis nehmen. Aber dann, wenn wir nicht

Das Ende einer Herrschaftsclique: Wedemeier und Kunick in besseren SPD-ZeitenFoto: Forum

die SED sind, dann müssen wir gerade darüber reden dürfen und nicht sagen: Darüber darf nicht mehr geredet werden. Ich wäre nur dafür gewesen, daß man nicht zu feige gewesen wäre, zwischendurch mal die Gelben und Grünen unter Druck zu setzen.

Wenn ich das richtig sehe, ist hier nur eins unter Druck gesetzt worden, nämlich Rot. Weil von uns erklärt worden ist, es geht sowieso nur in die Richtung (gemeint ist Isola, d.Red.). Es sollte da ja hin. Aber was sind das für tolle Händler, die an dem einen Laden vorbeigehen und sagen: Mit dem reden wir sowieso nicht.

Und nun noch einmal auf meine Senatstätigkeit kurz zurück. Ich bin zufrieden. Ich lese in diesem Koalitionsabkommen, daß die Straßenbahnpolitik, die wir geradeaus angefangen haben, bis einer da 'ne Straßenbahn und ein Auto zusammenhecken wollte,

hier bitte die

beiden Herren

der Handelskammer zuliebe (Wedemeier, d.Red.), daß diese Politik in trockene Tücher gekommen ist, dank der Grünen. Und wenn die das vorschlagen, dann macht man das ja auch. Wir haben uns die letzten Jahre bemüht, diesen Parteiwillen umzusetzen, und da ist man uns permanent in die Kurbel gefahren. An dieser Stelle: Große Zufriedenheit.

'Der Kunick war stark überfordert.' Ja. All die Tritte unterm Tisch, wo er immer nur vermuten durfte, daß das nur ganz kleine Genossen gewesen sind, die das gemacht haben und keine anderen das mit Sympathie begleitet haben. Dieses alles so richtig auch noch pressewirksam wegzubringen: Ich gebe zu, da war ich leicht überfordert. Aber in der Sache: Wir haben die Straßenbahn voreinander gebracht und im Wohnungsbau haben wir die Produktionsraten erreicht.

Dem Häfenressort den Verkehrsteil rausgerissen und den Gelb/ Blauen gegeben. Im Bauressort die Flächenplanung ausgerissen und den Grünen gegeben. Dies sind mindestens Mängel, die wir letztlich im weiteren ausbügeln müssen. Und zwar im Streiten. Deswegen streite ich hier. Ich versuche hier ein Stück vorzustreiten, denn diese Lämmermethode, hinter einer Koalition herzureden und zu sagen: 'Nur niemandem wehtun', das führt uns bei der entstandenen Machtlage in eine katastrophale Situation hinein. Und wenn dann das Ende kommen sollte, dann haben wir womöglich auch schuld. Also: Harte Debatte in der Sache, und überhaupt nichts anderes hilft da mehr.

Ich plädiere dafür, diese Koalition zu machen. Ich plädiere aber auch dafür, sich auf Streit einzurichten und die Sozialdemokraten in dieser Koalition zu stärken, in der Art, in der wir unser Politikmachen und Streiten verändern. Das wird keine sozialdemokratische Regierung sein. Das ist eine Kompromißregierung. In Folge dessen muß eine klare sozialdemokratische Linie dagegen gezogen werden.

„Da können Landesvorsitzende nicht hinter dem Präsidenten des Senats herdackeln.“

Da können Landesvorsitzende nicht hinter dem Präsidenten des Senats herdackeln, dem sowieso macherlei komische Dinge innerhalb kürzster Zeit einfallen., Da muß eine klare Furche gezogen werden. Und da paßt mir schon der Stil der Berichterstattung nicht, über die Art, wie die Koalition zustande gekommen ist, das war alles viel zu glatt (Verweis auf Isola, d. Red.).

Wir haben immer noch 40 Prozent der Stimmen. Da ist es nicht logisch, daß sich die anderen dicke Sahne-Ressorts 'rausschneiden'. Und das erste was ich an Liste gekriegt habe, sah so aus: Vier Limousinen und der Rest aus 'ner Schredderanlage zum Zusammenpuzzeln.

Hier in diesem Raum ist Klaus Wedemeier mit zwei Stimmen Mehrheit Präsident des Senats geworden, lieber Henning. Und er ist alternativlos. Ich habe Dich ja gefragt, ob Du unter den Umständen des hohen Wahlverlustes die Dinge anders siehst, als ihn zu unterstützen. Und Du hast gesagt: Du unterstützt ihn klar. Wir machen das mit ihm. Aber die Spielregelen müssen sich ändern. So wie das bis heute gegangen ist, so geht das nicht mehr weiter...“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen