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Kunick sagt Wedemeier den Kampf an

■ Der SPD-Unterbezirk Bremen-West ließ kein gutes Haar an seiner Parteispitze / Machtkampf entbrannt

Selten war ein Parteitag der SPD so mit Wahrheiten gespickt wie die Generalabrechnung der Delegierten des SPD-Unterbezirks West am Mittwoch abend in der Hochschule Bremen. Die West- Genossen wollen Scherf aus dem Senat raushaben, einzelne Delegierte wollen Wedemeier scheitern sehen und dann vielleicht eine große Koalition, Häfen- und Bausenator Kunick meint, Bremen brauche „Männer von außerhalb.“ Für den Posten des Bürgermeisters?

Solche Positionen, die sonst nur zwischen den Zeilen deutlich werden, prallten in der vierstündigen Debatte der Delegierten unversöhnt aufeinander — am Schluß fiel die gesamte Senatsliste, die der Landesvorstand zusammen mit Wedemeier in der Nacht von Freitag auf Samstag zusammengestückelt hatte, nach allen Regeln der Kunst durch. Nicht einmal Wedemeier erhielt die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (vgl. Seite 5).

Beim letzten UB-Parteitag sei festgestellt worden „daß wir nicht die große Koaliiton wollen“, wollte Bildungssenator Henning Scherf wenigstens einen Konsens als Ausgangspunkt seiner Überlegungen festklopfen. „Das haben wir nicht beschlossen“, brüllten Reinhard Barsuhn und Hans-Dieter Kahrs von hinten in den Saal. Völlig aus dem Konzept gebracht redete Scherf weiter, hatte aber kein Argument mehr. „Es muß ein Ja der Sozialdemokratie zu diesen Koalitionsverhandlungen herauskommen“, beschwor er die Delegierten. Die Stimmung, die ihm entgegenschlug, provozierte er mit dem Satz: „Ich möchte wis

Durchgefallen: Bildungssenator Henning Scherf und die „Neue“, Irmgard GaertnerFoto: Jörg Oberheide

sen, ob ich hier meine politische Heimat habe.“ Mit 78 Nein- und nur 36 Ja-Stimmen gaben ihm die Delegierten die Antwort — er hatte am Ende das schlechteste Abstimmungsergebnis der vorgeschlagenen neuen Senats-Mitglieder.

Fücks werde „der mächtigste Mann im Senat“, polemisierte UV-Vorstandsmitglied Barsuhn gegen das Bündnis mit den Grünen. Für die grüne Kultur-Senatorin sei eine jährliche Etat-Zuwachsrate von acht Prozent beschlossen, Jäger und van Nispen könnten sich glücklich zurücklehnen. „Wir dagegen verwalten das gefledderte Erbe“. Der UB-Ost, kam er dann auf des Pudels Kern, habe „nichts eingebüßt“, der UBWest sei „hinten herunterge

fallen“. Zwar hatte die Bremer SPD den Unterbezirks-Proporz zugunsten der Qualifikation gerade abgeschafft, doch meinte Barsuhn in aller Offenheit: „Haben wir denn keinen Anspruch, dort vertreten zu sein?“

Auch Fraktionschef Claus Dittbrenner rechtfertigte die Senatorenliste nicht, sondern versuchte sich in Verteidigung: „Klaus hat sich bewegt“, beschwor er die Delegierten. „Man muß sehr genau überlegen, wie weit seine Bewegungsfreiheit noch geht. Ich glaube das geht nicht mehr weit.“

Annelise Leinemann, bisher Parlaments-Vizepräsidentin, betonte, sie habe zwar Wedemeier gewählt, aber sie sei von ihm „sehr enttäuscht. Sie nahm Peter

hier bitte

den lachenden Herrn

und die Dame

Sakuth gegen Kritiker in Schutz und warf dem früheren Innensenator KrÖning vor, er habe „gelogen“. Das habe Sakuth in der kurzen Zeit gar nicht wieder gutmachen können, was Kröning „alles an Quatsch gemacht hat“. „So nicht“, setze der Ortsverein Bundentor der neuen Personalliste Wedemeiers entgegen.

Barbara Wulff aus Gröpelingen nannte Namen: Dagmar Lill sei vom Westen für das Ressort Arbeit / Frauen / Gesundheit vorgeschlagen, Konrad Kunick für Häfen und Bundesangelegenheiten, Sakuth für Bau. Ilse Lakmann, Vorsitzende des „Stadtkreises West“ im UB-West, hatte gleich eine komplette Liste, in der Scherf durch Marlis Grotheer- Hünecke ersetzt werden sollte und Sakuth als Bausenator vorkam. Brigitte Dreyer: „Peter Sakuth ist der Senator des Westens.“

Aber Peter Sakuth will nicht mehr, weil Wedemeier zu ihm kein Vertrauen habe. Auch Kunick teilte mit: „Ich stehe diesem Präsidenten des Senats nicht mehr zur Verfügung.“ Und dann holte Kunick zu einer Rede aus, die ihm den größten Beifall des Abends bescherte und in den Augen der Delegierten als neuen Landesvorsitzenden qualifizierte (vgl. Dokumentation). „Manchmnal könnten wir auch Männer von außen brauchen, richtige Männer, wie Johannes Rau“, begann er den Frontalangriff gegen Klaus Wedemeier.

„Hier ist Klaus Wedemeier mit zwei Stimmen Mehrheit Präsident des Senats geworden“, erinnerte Kunick an den Streit um die Nachfolge Koschnicks und die entscheidende Rolle des UB- West. Kunick hatte sich damals gegen Scherf und für Wedemeier stark gemacht. Nach der verlorenen Wahl, so berichtete er den Delegierten, habe er Henning Scherf gefragt, ob er als Alternative zu Wedemeier zur Verfügung stehen würde. Scherf habe abgelehnt und gesagt, er stehe klar zu Wedemeier. Über das Verhandlungsgeschick Wedmeiers hatte Kunick nur Spott übrig: „Was sind das für tolle Händler“, rief er.

Dennoch plädierte er dafür, diese Liste abzusegnen — mangels Alternative. Mit gepreßter Stimme, demonstrativ unfreiwillig stieß Kunick hervor: „Ich plädiere dafür, diese Koalition zu machen.“ K.W.

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