SENATSROCK: Warten aufs Christkind
■ Eine Nachlese zum letzten Senatsrock-Wettbewerb: Unser Berichterstatter würdigt die bisher vernachlässigten Bands und bekennt seine Sympathien
Alle 15 von der Jury ausgewählten Bands haben gespielt, nun wird entschieden, wer Gewinner des Senatswettbewerbs »Rock News '91« wird, der in den vergangenen sechs Wochen über die Bühne des Loft gegangen ist.
Beim vorläufig letzten Durchgang der Veranstaltung, die in der Vergangenheit vor allem der Förderung von Gitarren-Rock und -Pop diente, war diesmal unter weniger eingesandten Demo-Aufnahmen bunter ausgewählt worden.
Neben Genetic Drugs, Herr Blum, Fenchel, Taegk, Cosmic Trigger, No Solo, Empire, den Voices of Neucoelln (die taz berichtete) sowie Stan Red Fox, Sangomar und der Barrawullo Band (siehe Kritik auf dieser Seite) traten fünf weitere Bands auf, über deren Auftritte leider nichts, vom Tonträger und Waschzettel zumindest einiges zu berichten ist (die Berlin-Kultur hatte den Start des Rock-Wettbewerbs verpaßt — d.Red). »Alan International« haben ihr ursprüngliches Konzept, eine Symbiose aus Gitarrenlärm und Drumcomputer, zugunsten von altbackenem, hartem Melody-Rock aufgegeben.
Zu langsam, um »Slayer«, zu wenig operettenhaft, um die frühen »Iron Maiden« oder »Bauhaus« zu erreichen, verlieren sich Alan Int. wie ein hardgerockter Remix von Lieblings-Haßstücken der achtziger Jahre in schlecht gesungenen Banalitäten.
»Sound Dominion« mußten ihre Musik aus dem Computer in eine Live-Show umsetzen, was dem Studiomusiker Thomas Froschhammer wenig gefiel. Schleppend kam das Safer Sex Epos Go forward/Fast forward daher, das auch drei Vokalisten, die ihre bescheidenen Englisch- und Gesangskenntnisse zusammenwarfen, nicht zu retten vermochten. Dominions Deep-House-Sound ist nicht nur monoton, sondern noch dazu langsam.
Nachgespielte und nachkomponierte Beatmusik geben die »Lemonbabies«, vier 15- bis 18jährige junge Frauen, zum besten. Ihr vierstimmig gesungener Liebes-Schmuh (»I am waiting for that special man«) zu gepoltertem Instrumentenspiel ist so charmant wie unoriginell. Den heftig gehypten Lemonbabies ist zu wünschen, daß sie über eine Kopie amerikanischer Girl- Groups hinauswachsen.
»A trip to heaven and back to the animal inside, Musik zwischen endlosen Highways und verlassenen Vorstadtkinos« nennen »Big Savod and the Deep Manko« ihr eigenes musikalisches Schaffen, und so klischeehaft klingen auch die Songs der Ostberliner GEMA-Mitglieder. Ihr poppiges Crossover zwischen »REM« und den »Puhdys« mit pathetischem Gesang und Akkordeoneinlagen ist gerade recht, um ein Sahnestück im Indie-Geschäft zu werden.
»Kampanella is dead«, 1988 als Trio gegründet, konvertierten zum Quintett, um auch ohne Tasteninstrumente die volle Velvet-Underground-Besetzung bieten zu können. Neben VU gibt die in Ostberliner Clubs omnipräsente Gruppe die Beatles und New Wave auf dem Fragebogen für den Senatsrockwettbewerb als Einflüsse für die eigene Stileinordnung »Funeralpartypop« an.
Gestern abend hat die Jury sich zusammengesetzt, um nach Gutdünken und unter Berücksichtigung des Zuschauervotums (das wie eine Jurorenstimme gilt) Gewinner festzulegen, die mit Geldpreisen und einem weiteren Auftritt im Loft belohnt werden. Ich will nicht verhehlen, wem dabei meine Sympathien gelten: No Solo, Herr Blum, Stan Red Fox, der Barrawullo Band, Taegk und den Lemonbabies. S.G.
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