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Wenn ER eintritt...

■ Dynamischer Westmann unter der Lupe der Ostfrau

Mein Gott, wie hat mich das angekotzt, dieses Gequatsche über DIE Jugend, DIE Frauen, DIE Intellektuellen — dieses Vermanschen unter einem kollektiven Überbegriff. Immer hielt ich dagegen: Es gibt nicht DIE Jugend oder DIE Frauen. Und jetzt hat mich die Vergangenheit eingeholt, denn da steht er und da sitzt er und da liegt er: DER Westmann. Alle antikollektiven DDR-Krücken faulen mir unterm Hintern weg, wenn ER den Raum betritt, wenn ER den Mund aufmacht. Der Russe, der Pole, der Ungar, die sind fremd und vertraut zugleich. Der Westdeutsche ist und bleibt fremd.

Hier gibt's 'ne Menge zu tun, hier kann man ein neues Leben beginnen. Das strahlt Energie ab, Power! Das macht an, fasziniert. Ganz anders als das nervende Gejammer: Ich armes Opfer... Dazu die Vorwendeerfahrung: Sie besaß einen einzigen Slip mit Schleifen. Kein Ostmann nahm das zur Kenntnis. Der Westmann kam, sah und öffnete die Schleifen an den Seiten. Er riecht anders, er kleidet sich anders, selbst seine Müsli-Anti-Kosmetik identifiziert ihn noch als Westmann.

DER Einheitsnenner: Die ewigen Mißverständnisse. „Wie war denn das so in der DDR?“ Und ich erzähle und erzähle. Aber noch nie hatte ich das Gefühl, verstanden zu werden. „Wie hast du das nur ausgehalten, wie kannst du nur hier in diesem dreckigen Leipzig wohnen?“ Verdammt, ich habe gelebt! Aber das versteht er nicht. „Mein Hausschlüssel schließt nur von außen.“ Da fragt er, warum. „Du kannst heute mal kein Wasser in den Abfluß kippen, unten ist's verstopft.“ Da fragt er, warum. Kein Ostmann würde diese Warum-Fragen stellen.

Oder dieser Zwang zur Selbstdarstellung. Es gibt kaum eine Situation, wo es der Westmann aushält, passiv zu sein. Einfach sitzen, reden, schweigen, essen, trinken und reden und schweigen. Er hält's nicht aus. Er muß raus — in die Kneipe, in die Disco, in die Bar. Er braucht Publikum, Hintergrundgeräusche.

Am erschreckendsten aber seine fatale Konditionierung auf Stichworte. Das verunmöglicht jeden Dialog. Wie ein Pawlowscher Hund reagiert er auf einzelne Worte und spult seinen Spruch ab, der nichts mit der Intention des Gesagten zu tun hat. Schubladen, in die mein Nett-sein- Wollen gesteckt wird.

Ein Westmann fliegt nach Moskau. „Nichts wird klappen“, vermutet er richtig. Weit davon entfernt, die Nervereien rechtfertigen zu wollen, will ich bloß trösten und sage: „Ist doch eine Chance, man lernt zu improvisieren.“ Er: „Warum müßt ihr immer die besseren Menschen sein wollen?“ Petra Lux

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