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Rettet die Kampfkühe!

Genf (taz) — Was den Spaniern die Stierkämpfe oder den Tuaregs die Dromedar-Rennen — das sind den Einwohnern des Schweizer Alpenkantons Wallis die Kämpfe zwischen ihren eigens zu diesem Zweck gehaltenen Ehringer-Kühen. Jetzt droht diesem fast 70 Jahre alten Volkssport das Aus.

Seit 1923 treiben die Alpbauern die schwarzen, besonders stämmigen Viecher, die als einzige unverfälschte Schweizer Rinderrasse gelten, alljährlich im Frühjahr zu den regionalen Ausscheidungskämpfen ins Rhonetal. Unter anfeuernden Zuschauerrufen gehen jeweils zwei Tiere mit ihren (allerdings zur Vermeidung von Verletzungen abgestumpften) Hörnern aufeinander los. Die Besten der Besten kämpfen dann im September vor Zehntausenden von Laien und Fachleuten um den Titel der „Kuhkönigin“. Dem Besitzer der Siegerin winken Prämien von bis zu 40.000 Franken.

Die Veranstaltungen gehören zu den wichtigsten Volksfesten im Wallis. Überall dampfen die Raclette- Öfen, und der Fendant-Wein fließt in Strömen. Doch tatsächlich werden die Kuhkämpfe bitterernst genommen. Kürzlich mußte sich gar das höchste Schweizer Bundesgericht in Lausanne in langwierigen Verhandlungen mit einem Regelverstoß befassen. Denn der in den letzten Jahren erfolgreichste Walliser Kampf- Cowboy wurde von den Kuhkampf- Richtern wegen illegalen „Gras-Dopings“ mit einer zweijährigen Sperre belegt. Die Siegesserie seiner Kuh sei nur erklärlich, weil er sie zwei Tage zu früh von der Alpweide ins Rhonetal geholt und sie dort mit speziellem Kraftfutter gedopt habe. Der Einspruch des Kuhbesitzers bei den zuständigen Behörden des Kantons Wallis wurde zurückgewiesen. Und auch die Bundesrichter in Lausanne bestätigten die zweijährige Kampfsperre.

Um die Chancengleichheit zu erhöhen, wurden bereits vor drei Jahren obligatorische Zulassungstests für die Kampfkühe eingeführt. Antreten darf nur, wer mindestens fünf Jahre alt ist, schon zwei Kälber geworfen hat, nicht unter 590 Kilo wiegt und täglich fünf Liter Milch produziert. In jüngster Zeit jedoch wachsen die Sorgen um den Erhalt der ursprünglich einmal von den Kelten in die Alpentäler eingeführten Ehringer-Rinder. Anfang der 60er Jahre existierten noch über 2.000, heute sind es nur noch 600. Eine Epidemie könnte nach Meinung von Fachleuten einen solch kleinen Bestand mit einem Schlag auslöschen. Doch auch die zunehmende Wirtschaftskrise in der Schweiz wirkt sich negativ aus. Für immer mehr Walliser Bauern wird der Unterhalt der Ehringer-Kühe, die im Jahr 40 Prozent weniger Milch liefern als andere Kuhrassen, zum teuren Luxus.

Jetzt haben die Bauern die Regierung um finanzielle Unterstützung gebeten. Ihr Argument: Der Kuhkampf sei nicht nur ein Volkssport, sondern auch eine unbedingt erhaltenswerte kulturelle Eigenart. Zudem seien die Ehringer-Kühe besonders ökologische Tiere: gute Bergsteiger, überlebenstüchtiger und besonders in großen Höhen resistenter als andere Rassen. Die Antwort der Regierung auf das Unterstützungsgesuch der Walliser Kampfkuh- Züchter steht noch aus. Andreas Zumach

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