: Bauunternehmer züchtet Edelfische in Zementfabrik
■ Kreidesee auf Industriebrache wurde zum einmaligen Fischzuchtbetrieb
Am Anfang stand eine leicht spleenige Idee, über die Fachleute staunten und Laien lachten: Horst Pöpke (45), Bauunternehmer aus Hemmoor (Kreis Cuxhaven), wollte ausgerechnet in einem „Kreidesee“ Edelfische züchten. Das habe keiner ernstgenommen, erzählt der passionierte Angler. Doch allen Widerständen zum Trotz verwirklichte er seinen Plan. Heute, nach vier Jahren, wachsen in dem 60 Hektar großen See an der Bundesstraße 73 tausende von Lachsen und Seesaiblingen heran, die sich mit Qualitätsfischen aus der Meereszucht messen können. Zu Pöpkes Kunden zählen Sterne-Köche aus ganz Deutschland.
Die Zuchtfarm liegt auf dem ehemaligen Gelände einer Abbaugrube der Zementfabrik Hemmoor. Als der Produktionsbetrieb vor sieben Jahren stillgelegt wurde, füllte sich die Grube mit Wasser. Damit entstand ein See, der an seiner tiefsten Stelle 60 Meter mißt; der Grund besteht aus Kreide. Der See verfügt über einen stetigen Zu-und Ablauf. Die Hänge am Ufer sind sehr steil und fördern die Wasserbewegung. Somit herrscht eine kontinuierliche Strömung; in relativ kurzer Zeit tauscht sich das Wasser im See aus. „Alles günstige Voraussetzungen, um hier Fische zu züchten“, dachte sich Pöpke.
Wasseranalysen ergaben, daß der Hemmoorer See nicht nur sauber, sondern auch salzhaltig ist. Der Grund: Unter der Kreideschicht liegt ein Salzstock. Für Pöpke und seine Frau Monika war nun klar, daß Lachse im See gedeihen konnten. Das Ehepaar wälzte Fachbücher und holte sich Rat bei Experten. Die empfahlen den beiden, das Gewässer neben Lachsen auch mit Seesaiblingen zu besetzen. Horst Pöpke holte daraufhin 8.000 Junglachse, den sogenannten Smolt, aus dem schwedischen Vänersee sowie mehr als 100.000 Saiblinge nach Hemmoor. Für die Zucht dieser Fische — ein Novum in der deutschen Aquakultur — legte er im Kreidesee sechs Gehege an, deren Netze bis zu 16 Meter tief sind.
Neben der Mast im Netzgehege, dem sogenannten „Farming“, nutzt der Züchter in Hemmoor das „Ranching“: Er setzt die Jungfische, wenn sie ein bestimmtes Wachstum erreicht haben, frei in dem See aus und fängt sie später wieder ein. Während die Lachse und Saiblinge in der Zuchtfarm hauptsächlich mit Fischmehl-Pellets gefüttert werden, finden sie im See natürliche Nahrung vor: Pöpke setzte dort diverse Kleintiere aus, die sich stark vermehrt haben. Inzwischen bevölkern Millionen von Stinten, Garnelen und Krebsen das glasklare Wasser des Kreidesees, der sich zu einem Biotop gemausert hat. An seinen Ufern gibt es Eisvögel, Kormorane und Reiher.
Pöpke lehnt Massenproduktion ab und setzt auf Qualität. Die Gourmets wissen dies zu schätzen, und die Meisterköche renommierter Restaurants honorieren es. In Hemmoor bestellen unter anderem Josef Viehhauser aus Hamburg und Feinkost Dallmayr aus München. „Die wollen eben keine überfette Zuchtware mehr, sondern erste Wahl“, sagt der Züchter. Zu Weihnachten setzt er allerdings auch einmal auf Quantität. Dann werden aus dem Kreidesee 5.000 Lachse von 500 bis 2.000 Gramm Gewicht „geerntet“ und verkauft sowie 10.000 Seesaiblinge. Jörn Freyenhagen (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen