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Wein und Wasser

■ Ein Kapitel aus Primo Levis Roman „Der Ringschlüssel“, der demnächst auf deutsch erscheint

Ich hatte nicht gedacht, daß es Ende September am Unterlauf der Wolga so heiß sein könnte. Es war Sonntag, und in dem Gästehaus war es nicht auszuhalten: rührenderweise hatte die „Administrazija“ in sämtlichen Zimmern Ventilatoren aufstellen lassen, die jedoch nicht nur laut, sondern zudem gänzlich wirkungslos waren. Luft kam nur beim Eckfenster herein, das nicht größer war als ein Zeitungsblatt. Ich schlug Faussone vor, an den Fluß zu gehen, bis zur Schiffsanlegestelle zu laufen und dort auf das erstbeste Schiff zu steigen. Er war einverstanden, und so brachen wir auf.

Auf dem Treidelpfad war es fast kühl; die erstaunliche Klarheit des Wassers und der von ihm ausgehende Sumpf- und Moschusduft verstärkten die erfrischende Wirkung noch. Über den Fluß strich eine leichte Brise und kräuselte winzige Wellen auf dem Wasser auf, in Abständen aber drehte der Wind, und dann wehte in glühenden Schwaden ein Geruch von gekalkter Tonerde vom Land herüber; hatte das Wasser sich wieder beruhigt, konnte man unter der Wasseroberfläche undeutlich die Umrisse versunkener Bauernhäuser erkennen. Keine vorzeitlichen Ereignisse, erklärte mir Faussone, auch kein göttliches Strafgericht über ein Dorf von Sündern. Das waren ganz einfach die Auswirkungen des riesigen Staudamms, den man hinter der Flußbiegung sah; er war sieben Jahre zuvor gebaut worden, und natürlich hatte er hinter sich einen See, ja ein ganzes Meer von fünfhundert Kilometern Länge zurückgestaut. Faussone war so stolz darauf, als hätte er höchstpersönlich den Damm gebaut, dabei hatte er da bloß einen Kran aufgestellt. Auch um diesen Kran gab es eine Geschichte und er versprach, sie mir früher oder später einmal zu erzählen.

Gegen neun waren wir an der Anlegestelle. Die bestand aus zwei Bauwerken: eines massiv am Ufer errichtet, das andere aus Holzbrettern auf dem Wasser schwimmend, praktisch wie ein großes überdachtes Floß. Zwischen beiden verlief ein Steg, ebenfalls aus Holz und an beiden Enden schwenkbar. Weit und breit war niemand zu sehen. Wir studierten also an der Tür zum Warteraum den Fahrplan; der war zwar in Schönschrift aufgesetzt, aber voller Durchstreichungen und Berichtigungen. Wenig später sahen wir eine alte Frau auf uns zukommen. Langsam schlurfte sie heran, ohne uns anzuschauen, denn sie war ganz mit einer Strickarbeit aus zweifarbigem Garn beschäftigt. Sie ging an uns vorbei, holte aus einer Ecke einen Klappstuhl hevor, stellte ihn neben dem Fahrplan auf, setzte sich hin, wobei sie die Falten ihres Rockes glattstrich, und klapperte noch ein paar Minuten mit ihren Nadeln weiter. Dann sah sie uns an, lächelte und meinte, es sei zwecklos, den Fahrplan zu studieren, der sei nicht mehr gültig.

Faussone fragte, seit wann, und ihre Antwort war reichlich unbestimmt: seit drei Tagen oder vielleicht seit einer Woche, der neue Fahrplan stand noch nicht fest, aber die Schiffe fuhren trotzdem. Wo wir denn hinwollten? Verlegen antwortete Faussone, das sei ganz gleich, wir würden irgendein Schiff nehmen, Hauptsache, es war am Abend wieder zurück: wir wollten bloß ein bißchen frische Luft schöpfen und eine Flußfahrt machen. Die Alte nickte bedächtig und ließ uns dann die wertvolle Information zuteil werden, daß bald ein Schiff komme, das sofort nach Dubrowka weiterfahre. Wie weit war das? Nicht sehr weit, eine Stunde Fahrt oder zwei: aber was machte das schon? fragte sie uns und setzte wieder ihr helles Lächeln auf. Waren wir etwa nicht in Ferien? Na also, da war Dubrowka genau das Richtige für uns: dort gab es Wälder und Felder, man konnte Butter, Käse und Eier einkaufen, und ihre Nichte wohnte auch dort. Wollten wir Fahrkarten erster oder zweiter Klasse? Denn sie war die Kassiererin.

Nach kurzer Beratung entschieden wir uns für die erste Klasse. Die Alte legte ihre Handarbeit beiseite, verschwand hinter einem Türchen und tauchte hinter einem Schalter wieder auf. Sie kramte in einer Schublade und händigte uns die Fahrkarten aus, die trotz erster Klasse sehr billig waren. Über den schwankenden Steg gelangten wir auf das Floß, und dort warteten wir. Auch hier war niemand, nach einem Weilchen kam allerdings ein magerer, hochaufgeschossener junger Mann und setzte sich unweit von uns auf die Bank. Er war einfach gekleidet, trug eine abgewetzte, an den Ellbogen geflickte Jacke, und das Hemd stand ihm auf der Brust offen. Gepäck hatte er keines (wir ja übrigens auch nicht), er rauchte eine Zigarette nach der anderen und starrte Faussone neugierig an. „Na? Er hat wohl gemerkt, daß wir Ausländer sind“, meinte Faussone. Aber nach der dritten Zigarette kam der junge Mann zu uns herüber, begrüßte uns und sprach Faussone an, auf russisch natürlich. Nach einer kurzen Unterhaltung sah ich, wie er sich der Hand Faussones bemächtigte und sie wärmstens drückte, nein, kraftvoll im Kreis herumschwenkte, als wäre es die Kurbel eines dieser alten Autos ohne Anlasser.

„Na, den hätt ich garantiert nicht wiedererkannt“, erklärte Faussone mir dann, „das ist einer von den Arbeitern, die damals, vor sechs Jahren, bei der Montage des Krans am Staudamm mit dabei waren. Aber wenn ich jetzt genauer nachdenke, dann kann ich mich, glaub ich, erinnern, es war nämlich so kalt damals, daß die Steine barsten, ihm aber machte das gar nichts aus, er arbeitete seelenruhig ohne Handschuhe und war genauso angezogen wie jetzt.“

Der junge Russe schien glücklich, als ob er einen Bruder wiedergefunden hätte; Faussone hingegen ging nicht aus seiner Reserve und hörte der weitschweifigen Rede des anderen zu, als wäre es der Wetterbericht im Radio. Der Russe sprach mit großem Eifer, und ich konnte ihm nur schwer folgen, bemerkte aber, daß das Wort rasniza häufig wiederkehrte, eines der wenigen, die ich kenne, es bedeutet „Unterschied“. „Das ist sein Name“, hat Faussone mir dann erklärt, „er heißt wirklich so, Unterschied, und er erzählt mir gerade, daß er hier an der unteren Wolga der einzige mit diesem Namen ist. Ein komischer Kauz muß das sein.“ Unterschied kramte in all seinen Taschen, zog schließlich einen völlig zerknitterten, speckigen Ausweis hervor und zeigte Faussone und mir, daß das Foto wirklich seines war und der Name daneben auf Nikolai M. Rasniza lautete. Gleich darauf erklärte er, wir seien seine Freunde, nein, seine Gäste: der glückliche Zufall wollte es nämlich, daß er gerade heute Geburtstag hatte, und er gedachte, ihn mit einer Flußfahrt zu feiern. Bestens, wir würden also gemeinsam bis Dubrowka fahren; er wartete hier auf das Schiff, und auf dem Schiff waren zwei oder drei seiner Landsmänner, um mit ihm zu feiern. Die Aussicht auf ein Beisammensein mit Russen, das vielleicht etwas weniger formell sein würde als die aus Arbeitsanlässen veranstalteten Begegnungen, war mir nicht unangenehm, ich sah jedoch, wie sich Faussones sonst so ausdrucksloses Gesicht mit einem Schleier aus Mißtrauen überzog, und wenig später raunte er mir zwischen den Zähnen zu: „Die Sache verspricht nichts Gutes.“

Schließlich kam das Schiff aus Richtung Staudamm her, und wir beide holten unsere Fahrkarten zur Kontrolle heraus. Unterschied zeigte sich verärgert und meinte, Fahrkarten hätten wir nicht zu kaufen brauchen, noch dazu erster Klasse Hin und Zurück: waren wir nicht seine Gäste? Die Reise würde er uns spendieren, er war mit dem Kapitän und mit der ganzen Mannschaft befreundet, und auf dieser Linie zahlte er nie, weder er noch seine Gäste. Wir gingen an Bord, und auch da war kein Mensch außer den beiden Kameraden von Unterschied. Sie saßen auf einer der Bänke auf der Brücke, Riesenkerle mit ausgemachten Galgengesichtern, wie ich sie noch nirgends gesehen hatte, weder in Rußland noch anderswo, außer vielleicht in einem Italo-Western. Einer war fett und trug seine Hosen mit einem Gürtel um den Bauch festgeschnürt, der andere war schlanker, sein Gesicht war von Pockennarben entstellt, und das Unterkinn trat ihm so weit vor, daß die unteren Scheidezähne vor den oberen standen. Diese Besonderheit verlieh ihm das Aussehen eines Boxerhundes, was in merkwürdigem Kontrast zu seinen Augen stand, die zwar auch etwas leicht Hündisches hatten, dabei aber von einem sanften Nußbraun waren. Beide stanken nach Schweiß und waren betrunken.

Das Schiff legte ab. Unterschied erklärte seinen Freunden, wer wir waren, und sie meinten, das sei ja wunderbar, je mehr wir seien, desto lustiger würde es zugehen. Sie nötigten mich, zwischen ihnen Platz zu nehmen, und Faussone setzte sich neben Unterschied auf die Bank gegenüber. Der Fette hatte ein in Zeitungspapier eingewickeltes und verschnürtes Paket bei sich. Er löste die Schnur, und es kamen mehrere mit Speck belegte Bauernbrote darin zum Vorschein. Er bot sie in der Runde herum an, dann ging er irgendwohin unter die Brücke, und als er zurückkehrte, hielt er eine Blechbüchse beim Henkel, offensichtlich eine umfunktionierte Lackdose. Aus der Tasche zog er einen Aluminiumbecher, füllte ihn mit der Flüssigkeit aus der Büchse und bot mir zu trinken an. Es war ein süßlicher, sehr starker Wein, ähnlich wie Marsala, aber schärfer und gleichsam widerborstig: für meinen Geschmack war er eindeutig schlecht, und ich bemerkte, daß auch Faussone, ein Kenner, nicht gerade begeistert davon war. Aber die beiden ließen nicht locker: in der Büchse waren noch mindestens drei Liter von dem Gesöff, und die müßten auf der Hinfahrt ausgetrunken werden, erklärten sie, denn was für ein Geburtstag wäre das denn sonst? Und dann, nje straschno keine Angst, in Dubrowka gab es noch mehr und noch besseren Wein.

Mit meinen paar Brocken Russisch setzte ich mich zur Wehr, so gut es ging: der Wein sei schon gut, aber ich hätte genug, ich wäre nicht daran gewöhnt, wäre schwer krank, hätte es mit der Leber, im Bauch, aber nichts zu machen: die beiden, unterstützt noch von Unterschied, der sich auf ihre Seite geschlagen hatte, legten eine Gastfreundschaft an den Tag, der ein gewisser Zwang innewohnte, der an Drohung grenzte, also mußte ich wohl oder übel weitertrinken. Auch Faussone trank, aber er war weniger gefährdet als ich, denn er war trinkfest, und im übrigen sprach er auch besser Russisch, so daß er einleuchtende Argumente vorbringen und das Gespräch auf ein anderes Gleis umlenken konnte. Ihm war kein Unbehagen anzumerken, er trank und redete; ab und zu trafen meine immer verschleierteren Augen auf einen forschenden Blick von ihm, doch er unternahm während der ganzen Fahrt nicht einen einzigen Versuch, mir zu Hilfe zu kommen, sei es, weil er abgelenkt war, oder weil er seinen Vorrang behaupten wollte.

Mir ist Wein noch nie bekommen. Dieser hier aber stürzte mich in eine widerwärtige Lage beschämender Ohnmacht: Im Kopf war ich wohl noch klar, merkte aber, wie mein Stehvermögen nach und nach abnahm, weshalb ich mich schon vor dem Augenblick fürchtete, in dem ich von der Bank würde aufstehen müssen. Meine Zunge wurde immer schwerer, vor allem aber hatte sich mein Gesichtsfeld höchst unangenehm verengt, und so betrachtete ich das feierliche Vorbeirauschen der Flußufer zu beiden Seiten wie durch eine Kamerablende, oder besser gesagt, als ob ich eines dieser winzigen Operngläser vor den Augen hätte, wie man sie im vergangenen Jahrhundert verwendete.

Aus all diesen Gründen zusammen habe ich diese Flußfahrt nur sehr unklar in Erinnerung. In Dubrowka ging dann alles ein bißchen besser: der Wein war alle, es wehte ein angenehm frischer Wind voller Heu- und Stallgeruch, und nach den ersten wankenden Schritten fühlte ich mich munterer. In der Gegend schienen alle miteinander verwandt zu sein: die Nichte der Schalterbeamtin, so stellte sich heraus, war die Schwester des pockennarbigen Gesellen, es war Mittagszeit, und er wollte um jeden Preis, daß wir zum Essen mit zu ihnen kämen. Seine Schwester wohnte mit ihrem Mann direkt am Fluß in einem winzigen, hellblau gestrichenen Holzhaus, dessen Fenster- und Türrahmen verziert waren. Vor dem Haus war ein kleiner Garten mit grünen, gelben und lila Kohlköpfen, und das Ganze erinnerte an die Behausung einer Märchenfee.

Im Inneren herrschte peinliche Sauberkeit. Fenster und Zwischentüren waren mit Spitzengardinen verkleidet, die von der Decke bis auf den Boden reichten, allerdings war der Raum nicht mehr als zwei Meter hoch. An einer Wand hingen dicht nebeneinander zwei Ikonen auf Pappkarton und daneben, im gleichen Format, das Foto eines jungen Mannes in Uniform und mit einer Menge Orden auf der Brust. Der Tisch war von einem Wachstuch bedeckt, darauf stand die dampfende Suppenschüssel, und daneben lagen ein großer Laib Roggenbrot mit dunkler, tief gefurchter Kruste, vier Gedecke und vier hartgekochte Eier. Die Nichte war eine kräftige Bäuerin um die Vierzig mit klobigen Händen und freundlichem Gesicht. Das braune Haar trug sie unter einem weißen, unter dem Kinn geknüpften Kopftuch. Neben ihr saß ihr Mann, er war schon älter und hatte kurze graue Harre, die ihm schweißnaß von der Arbeit des Tages am Schädel klebten; sein Gesicht war ausgemergelt und sonnenverbrannt, die Stirn aber blaß. Ihnen gegenüber saßen zwei blonde Kinder, offenbar Zwillinge, die ungeduldig darauf zu warten schienen, daß sie mit dem Essen anfangen konnten, dazu aber mußten zuerst die Eltern den ersten Bissen zum Mund geführt haben. Rasch legten sie noch vier weitere Gedecke auf, so daß wir schließlich alle, ein bißchen beengt zwar, an dem Tisch Platz fanden.

Ich hatte keinen Appetit, kostete aber aus Höflichkeit etwas von der Suppe. Mit mütterlicher Strenge schalt mich die Hausfrau, wie ein verzogenes Kind: weshalb ich denn „so schlecht äße“, wollte sie wissen. Faussone hat mir mit einem rasch beiseite gesprochenen Satz erklärt, daß auf russisch „schecht essen“ soviel heißt wie „wenig essen“, ähnlich wie man auf italienisch „gut essen“ sagt, wenn man „zuviel essen“ meint. Ich rechtfertigte mich so gut es ging, mit Gesten, Grimassen und Wortfetzen und die Hausfrau, von diskreterer Art als unsere beiden Reisegefährten, drängte nicht weiter.

Gegen vier Uhr fuhr unser Schiff zurück. Außer unserer Gruppe war nur noch ein weiterer Passagier an Bord, den es von wer weiß wo hierher verschlagen hatte, ein mageres, abgerissenes Männchen unbestimmbaren Alters mit einem kurzen, schütteren und ungepflegten Bart. Er hatte helle, wirre Augen und nur ein Ohr: an der Stelle des anderen war ein abstoßender Krater aus Fleisch, von dem eine lange, gerade Narbe bis zum Kinn herunterlief. Auch er war mit Unterschied und den beiden anderen eng befreundet, und uns Italienern gegenüber erwies er sich von erleserner Gastfreundschaft: er bestand darauf, uns das Schiff vom Bug bis zum Heck in allen Einzelheiten vorzuführen, und ließ dabei weder die Bilge aus, wo es grauenhaft muffig stank, noch die Latrinen, die ich lieber nicht beschreibe. Mit derart albernem Stolz wies er auf jedes Detail hin, daß wir schlossen, er müsse entweder pensionierter Matrose oder ehemaliger Werftarbeiter sein, doch er sprach mit einem so absonderlichen Akzent, bei dem die O so stark vor den A überwogen, daß auch Faussone darauf verzichtete, ihm Fragen zu stellen, denn von der Antwort hätte er ohnehin nichts verstanden. Seine Freunde nannten ihn „Grafinia“, Gräfin, und Unterschied erklärte Faussone, daß er tatsächlich ein Graf sei, während der Revolution nach Persien geflüchtet war und seinen Namen geändert hatte, aber seine Erzählung erschien uns weder einleuchtend noch überzeugend.

Es war wieder heiß gworden, und am linken Flußufer, an dem das Schiff entlangfuhr, wimmelte es von Badenden: zumeist ganze Familien, die aßen und tranken, im Wasser planschten oder am staubigen Ufer auf Decken lagen und in der Sonne brieten. Einige, sowohl Männer wie Frauen, steckten vom Hals bis zu den Knien in züchtigen Badeanzügen, andere liefen völlig ungeniert nackt in der Menge herum. Die Sonne stand noch hoch: an Bord gab es nichts zu trinken, nicht einmal Wasser, und auch der elende Wein unserer Reisegefährten war zu Ende. Der Graf war verschwunden, die anderen drei lümmelten auf den Bänken herum und schnarchten. Ich war durstig, und mir war heiß; also schlug ich Faussone vor, wir sollten uns nach der Landung einen abgelegenen Strand suchen, uns ausziehen und ebenfalls schwimmen gehen. Faussone schwieg einen Augenblick, dann gab er verdrossen zurück:

„Sie wissen doch, daß ich nicht schwimmen kann. Hab ich Ihnen doch gesagt, als ich Ihnen von dem Derrick in Alaska erzählte. Wasser macht mir angst. Und Sie werden ja wohl nicht erwarten, daß ich gerade hier anfange, schwimmen zu lernen; sauber mag das Wasser ja sein, aber voller Strudel, dann gibt es nicht mal einen Bademeister, und der Jüngste bin ich schließlich auch nicht mehr.

Tatsache ist, daß mir als Kind keiner das Schwimmen beigebracht hat, denn bei uns in der Gegend gibt's keine Seen oder so zum Schwimmen: und das einzige Mal, daß ich Gelegenheit dazu hatte, ist es schiefgegangen. Ich hatte angefangen damit, ich lernte allein, ich hatte Zeit und Lust, aber es ging schief. Das ist jetzt schon ein paar Jahre her, in Kalabrien war's, als die Autobahn gebaut wurde und man mich da runterschickte, zusammen mit dem Kranführer, mich, um das Vorschubgerüst zu montieren, und ihn, damit er damit umgehen lernt. Sie wissen nicht, was ein Vorschubgerüst ist? Wußte ich auch nicht, damals: es ist eine intelligente Art, Stahlbetonbrücken zu bauen, die von weitem ja aussehen wie nichts: viereckige Pfeiler und oben die Träger drauf. Die Form ist einfach, ja, aber zu bauen sind sie gar nicht leicht, wie alle Dinge, die ihr Hauptgewicht oben haben, sagen wir mal Türme und so. Die ägyptischen Pyramiden zu bauen ist natürlich was ganz anderes. Und deswegen gab es dazu bei meinem Vater im Dorf auch ein Sprichwort, und das hieß: ,Beim Brücken- und beim Türmebauen, da ist's besser, zuzuschauen.‘

Also, stellen Sie sich ein ziemlich enges Tal vor und eine Straße, die in der Höhe darüber wegführen soll, die Pfeiler stehen schon, sagen wir, in rund fünfzig Meter Abstand voneinander. Die in der Mitte können bis zu sechzig, siebzig Meter hoch sein, wissen Sie, und deshalb kann gar keine Rede davon sein, die Träger mit dem Kran hochzuziehen, mal ganz abgesehen vom Gelände darunter, das ja auch nicht immer wegsam ist. Und eben da in Kalabrien, wovon ich zu Ihnen schon sprach, das war völlig unwegsam, es war die Mündung von einem dieser Flüsse da unten, wo nur Wasser durchkommt, wenn's regnet, also fast nie, aber wenn es dann mal kommt, dann reißt es alles mit. Ein Kiesbett voller Felsbrocken und Sand, gar nicht daran zu denken, da einen Kran aufzustellen; der mittlere Pfeiler stand schon ein paar Meter im Meer. Und dann dürfen Sie nicht vergessen: solche Träger sind schließlich keine Zahnstocher, das sind Trumms, so lang und so breit wie der Corso Stupinigi und mit einem Gewicht von hundert oder hundertfünfzig Tonnen. Nicht, daß ich Kränen nichts zutraute, denn es ist ja schließlich mein Metier, aber ein Kran, der hundert Tonnen siebzig Meter hoch hebt, der muß erst noch erfunden werden. Und deswegen hat man eben die Vorschubgeräte erfunden.

Jetzt hab ich grad keinen Bleistift zur Hand, aber stellen Sie sich ein enorm langes Stahlgerüst vor, so lang, daß man es nur direkt vor Ort montieren kann, was eben meine Aufgabe war. Genauer gesagt: so lang, daß es immer auf mindestens drei Pfeilern gleichzeitig aufliegt. In unserem Fall waren das, die Pfeilerdicke mitgerechnet, knapp hundertfünfzig Meter. Das ist also ein Vorschubgerüst, und man nennt es so, weil es dazu dient, die Träger vorzuschieben. In dem Gerüst laufen über die ganze Länge zwei Gleise, und auf diesen Gleisen fahren zwei kleine Wagen mit je einer Hebewinde. Der Träger liegt unten auf der Erde, längs der Strecke des großen Stahlgerüsts. Mit den beiden Hebewinden hievt man ihn hoch, das Gerüst selbst hinein, und dann setzt es sich in Bewegung, ganz langsam wie eine Raupe rollte es auf Rädern, die oben auf den Pfeilern angebracht sind. Es rollt voran mit dem Träger drin, weshalb man auch an ein trächtiges Tier denken könnte, rollt von einem Pfeiler zum nächsten, bis zur richtigen Stelle, da drehen die Hebewinden dann andersrum, und das Vorschubgerüst ,wirft‘ den Träger, ich meine, es läßt ihn präzise in die ausgekehlten Fugen hinab. Ich hab zugeschaut, wie es das macht, schöne Arbeit das, so richtig befriedigend, weil man sieht, wie die Maschienen reibungslos laufen, mühelos und geräuschlos. Ich weiß auch nicht, warum, aber das hat mir schon immer Eindruck gemacht, Ungetüme zu sehen, die sich langsam und ohne Lärm fortbewegen, wie zum Beispiel ein auslaufendes Schiff; und das geht nicht nur mir so, ich hab das auch schon von anderen gehört. Wenn die Brücke dann fertig ist, wird das Vorschubgerüst in seine Teile zerlegt, auf Lastwagen verladen und kann später wieder verwendet werden.

So wie ich Ihnen das jetzt erzähle, wär's das Ideale, das heißt, wie die Arbeit hätte laufen sollen; statt dessen aber ist von Anfang an alles schiefgegangen. Ich will das jetzt nicht groß und breit schildern, aber jeden Moment gab es irgendeine Schererei, angefangen schon bei den Profileisen, die ich zu montieren hatte, die Segmente von dem Vorschubgerüst also, die paßten nicht zusammen, und wir mußten sie Stück für Stück nacharbeiten. Da werden Sie verstehen, daß ich mich beschwert habe, ja richtig gebockt hab ich: das wäre ja noch schöner, daß einer die Fehler von wem anders ausbügeln und ein Monteur mit Feile und Säge herumhantieren soll. Ich bin also zum Bauleiter hin und hab ihm gründlich die Meinung gesagt: alle Stücke vorschriftsmäßig genormt und schön ordentlich vor dem Montageplatz aufgestapelt, sonst nichts da Faussone, sollten sie sich doch wen anders suchen für ihr Kalabrien; denn wenn man sich in der Welt so mit der Nase in die Pfütze tunken läßt, dann ist es aus und vorbei.“

Ich verspürte immer noch große Lust, ins Wasser zu gehen; zu verlockend klang das Geplätscher der kleinen Wellen gegen den Schiffsbug und das muntere Geschrei der strahlenden, blonden, kräftigen Russenkinder, die im Wasser Fangen spielten und hineinplanschten wie die Fischotter. Der Zusammenhang zwischen dem Vorschubgerät und Faussones Abneigung gegen Wasser und Schwimmen war mir nicht klar, und ich bat also vorsichtig um Erklärung. Er wurde ungehalten: „Nie lassen Sie mich der Reihe nach erzählen“, und er verschloß sich in ein finsteres Schweigen. Der Vorwurf erschien mir (und erscheint mir heute noch) völlig ungerechtfertigt, denn stets habe ich ihn erzählen lassen, wie und solange er wollte, der Leser wird das bezeugen können; ich erwiderte jedoch nichts, um des lieben Friedens willen. Unser beiderseitiges Schweigen wurde dann durch einen dramatischen Zwischenfall unterbrochen. Auf der Bank nebenan ist nämlich Herr Unterschied aufgewacht, hat sich gereckt, und gestreckt und lächelnd umgeschaut und dann angefangen, sich auszuziehen. Als er in Unterhosen dastand, weckte er seinen dicken Freund und drückte ihm das Bündel mit seinen Kleidern in die Hand, winkte uns höflich zu, setzte über die Reling und sprang in den Fluß. Mit ein paar kräftigen Zügen war er dem Sog der Heckwelle entkommen und schwamm dann gemächlich auf einer Seite auf ein Häuflein weißer Häuser zu, vor denen ein Holzsteg ins Wasser lief. Der Dickwanst ist sofort wieder eingeschlafen, und Faussone nahm seine Erzählung wieder auf.

„Na, haben Sie gesehen? Mich ärgert das, denn das könnte ich nicht, nie werd ich so was hinkriegen. Denn sie haben durchaus was miteinander zu tun, das Vorschubgerüst und das Schwimmen, bloß müssen Sie ein bißchen Geduld haben, dann stellt es sich raus. Sie müssen wissen, daß ich gerne auf Baustellen bin, wenn alles so läuft, wie es soll, aber dieser Bauleiter dort, der brachte mich auf die Palme, denn das war einer von denen, denen alles wurscht ist, Hauptsache, am Monatsende ist ihr Geld da. Dabei merken sie nicht, daß, wenn einem gar zuviel wurscht ist, am Ende dann auch der Lohn nicht mehr kommt, weder für ihn selber noch für die anderen. Es war so ein Kleiner mit weichen Händen und Brillantine im Haar und in der Mitte gescheitelt: blond, daß er gar nicht aussah wie ein Kalabrese; so wie der sich spreizte und aufspielte, kam er einem schon eher vor wie ein Gockel. Und da er mir scharfe Worte zurückgab, hab ich ihm gesagt, wäre mir grad recht; wenn er nicht kooperativ sein wollte, wäre mir das genauso recht: das Wetter war schön, die Sonne schien, das Meer war gleich um die Ecke, Ferien am Meer hatte ich noch nie gemacht, gut, ging ich also in Ferien, bis er mir sämtliche Segmente für das Vorschubgerüst vom ersten bis zum letzten, ordentlich bereitlegen könnte. Ich hab also an die Firma telegraphiert, und weil das denen auch zupaß kam, haben sie sofort ja gesagt. Und ich find, da hab ich mich nur korrekt benommen, meinen Sie nicht auch?

Zum Ferienmachen hab ich mich nicht von der Stelle bewegt, schon grad dem zum Trotz, weil ich die Baustelle im Auge behalten wollte, und dann war das auch gar nicht nötig: in einem Häuschen nicht mal hundert Meter von den Betonpfeilern weg, hab ich Quartier gefunden. Da wohnte eine Familie, anständige Leute, ja vorhin, als wir in Dubrowka zum Essen waren, mußte ich glatt an die denken, denn die anständigen Leute sind sich überall ähnlich, und außerdem, das weiß ja jeder, ist zwischen Russen und Kalabresen kein großer Unterschied. Anständig und sauber waren sie, respektvoll und immer gut aufgelegt. Der Mann hatte einen komischen Beruf, er flickte die Löcher in den Fischernetzen, die Frau versorgte das Haus und den Garten, und der Junge tat nichts, war aber auch sympathisch. Ich tat auch nichts; nachts schlief ich wie ein Papst, in einer Stille, daß man nur das Meeresrauschen hörte, tagsüber legte ich mich in die Sonne, wie ein Tourist, und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, daß das die richtige Gelegenheit wär, um schwimmen zu lernen.

Ich sagte ja schon, es fehlte mir an nichts. Zeit hatte ich jede Menge, keiner war da, der mir zuschaute, mich störte oder womöglich gar auslachte, weil ich mit fast dreißig Jahren noch schwimmen lernen wollte; das Meer war ruhig, ein hübscher kleiner Strand war da zum Ausruhen, der Boden war nicht steinig, sondern es war ganz feiner, weißer Sand, weich wie Seide, der Strand fiel nur ganz, ganz leicht zum Meer hin ab, so daß man fast hundert Meter weit reingehen konnte und immer noch Boden unter den Füßen hatte, das Wasser reichte einem bis zu den Schultern. Und trotzdem, ich muß Ihnen gestehen: Ich hatte Angst. Nicht Angst im Kopf, ich weiß nicht, ob Sie verstehen, sondern Angst im Bauch und in den Knien, Angst wie bei Tieren also. Nun bin ich ja aber ziemlich stur, das haben Sie ja schon gemerkt, also hab ich mir ein Programm gemacht. Als erstes mußte ich die Angst vor dem Wasser überwinden; dann mußte ich mich davon überzeugen, daß ich über Wasser blieb, bleiben ja schließlich alle, sogar Kinder und Tiere, warum sollte das bei mir nicht auch so sein? Zum Schluß dann mußte ich lernen, im Wasser voranzukommen. Es ging mir also nichts ab, sogar mein Programm hatte ich, und doch war ich nicht ruhig und zufrieden, wie ein Urlauber sein sollte. Ich fühlte so was wie ein Kribbeln innen, es war wohl ein bißchen alles zusammen: es nagte an mir wegen der Arbeit, die nicht vorwärtsging, da war der Ärger über den Bauleiter, der mir nicht paßte, und noch eine andere Angst, wie sie einer hat, der sich etwas Bestimmtes vornimmt, wozu er dann aber nicht fähig ist, und da verliert er sein Selbstvertrauen; und so wäre es letztlich besser gewesen, er hätte gar nicht erst angefangen, aber weil er nun mal dickköpfig ist, tut er's doch. Inzwischen hab ich mich ein bißchen geändert, aber damals war ich so.

Die Angst vor dem Wasser zu überwinden war das schlimmste, und im Grunde genommen hab ich sie auch gar nicht überwunden, ich hab mich bloß daran gewöhnt. Zwei Tage hab ich dafür gebraucht: ich ging bis zur Brust ins Wasser, holte tief Luft, hielt mir die Nase zu und steckte den Kopf unter Wasser. Die ersten Male, das war der Tod, im Ernst, ich hatte das Gefühl, ich sterbe. Ich weiß nicht, ob das allen so geht, aber bei mir kam das ganz automatisch: sobald ich den Kopf unter Wasser hatte, gingen bei mir in der Kehle alle Ventile zu, ich merkte, wie mir Wasser in die Ohren kam und hatte das Gefühl, es läuft mir durch die beiden kleinen Kanäle hier bis in die Nase und dann durch den Hals in die Lunge, und ich würde ertrinken. Dann mußte ich also wieder hoch, und ich hatte gute Lust, dem Herrgott zu danken, daß er Wasser und Land geschieden hat, wie's in der Bibel heißt. Das war schon keine Angst mehr, es war das pure Grauen, wie wenn man plötzlich einen Toten sieht, und die Haare stehen einem zu Berge. Aber eins nach dem anderen; ich hab mich also dran gewöhnt.

Über Wasser bleiben, hab ich dann gesehen, ist eine lausige Geschichte. Ich hatte schon öfter zugeschaut, wenn andere den 'toten Mann‘ machten, ich hab's versucht und blieb über Wasser, nichts dagegen zu sagen, bloß daß ich dazu die Lunge mit Luft vollpumpen mußte, wie damals die Pontons in Alaska, von denen ich Ihnen erzählt habe; aber man kann nicht ununterbrochen mit voller Lunge die Luft anhalten, irgendwann kommt der Moment, daß man sie rauslassen muß, und da fühlte ich dann, daß ich unterging wie die Pontons, als es Zeit war, sie abzuschleppen. Da mußte ich feste strampeln, natürlich immer mit angehaltener Luft, bis ich Boden unter den Füßen spürte. Dann stellte ich mich aufrecht hin, japste wie ein Hund und hatte große Lust, alles hinzuschmeißen. Aber Sie wissen ja, wie's so geht: stößt man auf eine Schwierigkeit, dann kommt einem die womöglich vor wie eine Herausforderung oder eine Wette, und die will man nicht verlieren. Mir jedenfalls ging es so, und übrigens ist das auch bei der Arbeit so, bei einer leichten Arbeit geb ich womöglich auf, bei einer schwierigen nicht. Der ganze Ärger kommt daher, daß unsere Luftröhre falsch liegt: bei Hunden, oder besser noch bei Seehunden, da liegt sie richtig, die schwimmen von klein an, ohne alle Probleme und ohne daß ihnen das einer beibringen müßte. So habe ich mich für dieses erste Mal damit begnügt, auf dem Rücken schwimmen zu lernen: damit hätte ich mich schon zufriedengegeben, auch wenn es mir ein bißchen unnatürlich vorkam, aber wenn man auf dem Rücken im Wasser liegt, dann ist wenigstens die Nase draußen, und man kann, zumindest theoretisch, atmen. Am Anfang atmete ich in ganz kleinen Zügen, um die Luftbehälter nicht zu sehr zu leeren, dann hab ich die Atemzüge verlängert, bis ich mich überzeugt hatte, daß ich atmen konnte, ohne unterzugehen, oder wenigstens, ohne mit der Nase einzutauchen, was das wichtigste ist. Aber schon eine kleine Welle reichte, daß ich wieder Angst kriegte und aus dem Gleichgewicht kam.

Ich machte also meine Versuche, und wenn ich mich müde fühlte, oder nach Luft japste, ging ich ans Ufer und legte mich neben dem Autobahnpfeiler in die Sonne. Da hatte ich einen Nagel eingeschlagen, um meine Kleider aufzuhängen, sonst krabbelten mämlich die Ameisen rein. Ich hab ja schon gesagt, es waren rund fünfzig Meter hohe Pfeiler, vielleicht auch höher: sie waren aus nacktem Beton, und man sah noch die Abdrücke von den Verschalungen. Ungefähr zwei Meter über der Erde war ein Fleck, und die ersten Male ist der mir gar nicht aufgefallen. Eines Nachts aber hat es geregnet, und der Fleck ist dunkler geworden, aber auch jetzt hab ich mir noch nichts dabei gedacht. Als Fleck war er allerdings merkwürdig: es war der einzige, der übrige Pfeiler war ganz sauber und die anderen Pfeiler auch. Er war einen Meter lang und zerfiel sozusagen in zwei Teile, einen längeren und einen kürzeren, wie ein Ausrufezeichen, bloß ein bißchen schief.“

Er schwieg lange und rieb sich die Hände, als wollte er sie waschen. Man hörte deutlich das Stampfen der Maschinen, und in der Ferne konnte man schon unsere Anlegestelle erkennen.

„Hören Sie, ich lüge nicht gern. Ein bißchen übertreiben tu ich schon, besonders, wenn ich von meiner Arbeit erzähle, und ich glaube, das ist nicht schlimm, denn wer zuhört, merkt das sofort. Gut, eines Tages habe ich bemerkt, daß quer durch den Fleck ein Riß lief und eine Prozession von Ameisen da ein und aus ging. Ich bin neugierig geworden, hab mit einem Stein dagegen geschlagen und hörte, daß es hohl klang. Ich hab fester geschlagen, und der Beton, der nicht mehr als fingerdick war, ist herausgebröckelt: und dahinter war ein Totenkopf.

Ich fühlte mich, als hätte man mir in die Augen geschossen, und kam aus dem Gleichgewicht, aber er war wirklich da und starrte mich an. Sofort darauf hab ich eine merkwürdige Krankheit gekriegt, es bildeten sich Grinde hier an der Taille, die fürchterlich juckten, und wenn sie abfielen, kamen gleich neue nach: aber ich war beinah froh darüber, denn so hatte ich wenigstens einen triftigen Grund, hier alles stehen- und liegenzulassen und nach Hause zu fahren. So hab ich nicht schwimmen gelernt, weder damals noch heute, denn jedesmal, wenn ich ins Wasser ging, egal, ob ins Meer, in einen Fluß oder See, überkamen mich scheußliche Gedanken.“

Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages aus:

Primo Levi: Der Ringschlüssel. ( La chiave a stella. Turin 1978). Roman. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner, Hanser Verlag, 208Seiten, 36DM. Das Buch erscheint im Februar.

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