: DER KRIEG DER HÜTCHENSPIELER Von Mathias Bröckers
Unter welchem Hütchen liegt er jetzt eigentlich, der Waffenstillstand im Hütchenspielerkrieg — unter dem 14., 15., 16., oder unter dem, auf das jetzt die Blauhelme der UNO ihren Fuß setzen? Keine Angst, hier folgt nicht ein weiterer Beitrag zu der Frage, warum sich in Deutschland, wo gegen den Krieg am Golf so heftig demonstriert wurde, kaum jemand über den Krieg in Jugoslawien aufregt, obwohl er doch geographisch so viel näher liegt. Die Frage erübrigt sich, weil die Antwort auf der Hand liegt: kein Mensch weiß, wer in diesem Drama die Guten und die Bösen sind — und so rauschen die Bilder verstümmelter Leichen an uns vorbei und hinterlassen, außer dem Wunsch, daß diese Idioten mit dem Gemetzel doch endlich aufhören mögen, allgemeine Teilnahmslosigkeit. Zwar gilt es als Grundsatzweisheit der psychologischen Kriegsführung, daß regelmäßige TV-Bilder von Opfern die Weltöffentlichkeit gegen den Krieg aufbringen, doch was den Jugo-Krieg betrifft, scheint es, als könnte er durchaus noch ein paar Jahre über den Bildschirm flimmern, ohne daß sich größerere Erregung oder gar massenhafter Protest breitmachen. Schon daß nur jemand nach Waffenlieferanten fragt, ist äußerst unwahrscheinlich, kein deutscher Rüstungs-Dealer muß irgendwelche Untersuchungen fürchten — wo es keine Guten und keine Bösen mehr gibt floriert das Business besser denn je. Vorausgesetzt, das Touristenidyll Dubrovnik bleibt außerhalb der Schußlinie. Ach wie war es ehedem beim Krieg am Golfe noch so schön: mit einem veritablen Bösen auf der einen und einem Heiligen St.Georg auf der anderen Seite — hier konnten sich die Geister scheiden, und wenn nicht, dann half die intellektuelle Propaganda-Kompanie nach und stilisierte den Bösen zum judenfressenden Hitler-Monster, den Guten zum Drachentöter und neuen Weltordner. Heissa, war das ein fröhlich Schießen und Schlachten, und wehe dem, der das brutale kindische Spiel nicht mitmachen wollte — der mußte doch im Grunde seines Herzens Nazi sein, oder zumindest Antisemit, also ebenfalls ein ganz schlimmer Finger. Bis hin zum letzten Manöverbeobachter im Pantoffelkino war die Rollenverteilung klar — keinen Augenblick bestand die Gefahr, daß einem Iraks Überfall auf Kuwait genauso am Arsch vorbeigehen könnte wie die alten Rechnungen, die man jetzt auf dem Balkan mit gegenseitigen Überfällen begleicht. Nahezu alle, außer den Beteiligten, finden den Krieg in Jugoslawien absurd und überflüssig, nahezu alle, einschließlich der Beteiligten, fanden den Krieg am Golf gerecht und notwendig — so gerecht, daß selbst die in Sachen Dubrovnik aktive Neckermann-Moral keine Chance hatte, obwohl sich zwischen Euphrat und Tigris weitaus mehr und weitaus wertvollere Kulturschätze befinden. Wer dennoch, mit dem Hinweis auf Geschäftsinteressen, auf die Absurdität eines Golfkriegs aufmerksam machte („Kein Blut für Öl!“) galt in der Kunst der Meinungsfindung als entartet: es ging nicht um schnöden Mammon, sondern um höhere Werte. Nun eine zugegeben etwas blöde, aber doch erhellende Frage: Was wäre, wenn Kroatien oder Serbien zu den Öl-Ländern zählten oder über andere weltmarktrelevante Schätze verfügten? Wäre der Krieg dort dann auch ein absurdes Hütchenspieler-Gemetzel, oder hätten wir nicht schon längst einen mega- bösen Finsterling auf der einen und einen rettenden Engel auf der anderen Seite?
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