: Schamir bläst der Wind ins Gesicht
Arabische Seite will erst nach Verurteilung Israels durch den UNO-Sicherheitsrat weiterverhandeln ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Reaktion der USA auf den Deportationsbeschluß der israelischen Regierung fiel weitaus schärfer aus, als man es sich in Israel hätte träumen lassen, heißt es heute im politischen Kommentar des israelischen 'Ha'aretz'. Nach einer Meldung der Zeitung sollen die USA jetzt sogar erwägen, erneut direkte Gespräche mit der PLO aufzunehmen. Damit hat hier niemand gerechnet. Und es erschien bislang auch undenkbar, daß sich die USA einer Resolution des UNO-Sicherheitsrates anschließen könnten, in der Israel zu einer Rücknahme des Deportationsbefehls aufgefordert wird. Nun setzt sich die Bush-Regierung sogar aktiv für eine solche Resolution ein.
Die israelische Delegation, insgesamt hundertfünfzig Personen, ist gestern dennoch planmäßig nach Washington abgereist. Doch wird sie es diesmal sein, die im State Department leeren Stühlen gegenübersitzt. Denn ob und wann die arabischen Delegationen anreisen werden, ist zur Stunde noch ungewiß. Aus Kreisen palästinensischer Politiker in Amman hieß es, die arabische Entscheidung werde in Abhängigkeit von der Stellungnahme des UNO-Sicherheitsrates fallen, der am Montag abend wegen der israelischen Deportationsbefehle zusammengetroffen ist. Nur wenn es zu einer scharfen Verurteilung von Israel kommt, werden die arabischen Delegationen die Gespräche wieder aufnehmen.
Im Gaza-Streifen und in der Westbank haben gestern drei israelische Militärgerichte den Widerspruch der Anwälte der von Deportation bedrohten Palästinenser angehört. In den besetzten Gebieten wird jetzt erwogen, einen Hungerstreik gegen die Deportationen zu organisieren. Einige der von Deportation bedrohten Inhaftierten haben bereits mit dem Streik begonnen. Ihre Verwandten machen in einer Presseerklärung das bisherige Schweigen der internationalen Gemeinschaft dafür verantwortlich, daß sich die israelische Besatzungsmacht weiterhin schwerer Verstöße gegen internationales Recht, insbesondere gegen die Genfer Konvention, schuldig macht.
Diplomaten der EG-Staaten in Israel trafen auf eigenen Wunsch heute mit dem israelischen Außenminister Levy zusammen, um gegen die Siedlungspolitik und die Deportationsbefehle zu protestieren. David Levy, von dem behauptet wurde, er habe sich gegen die Deportationen ausgesprochen, bezog bei der gestrigen Kabinettssitzung nicht Stellung gegen diesen Regierungsbeschluß — ebensowenig wie die übrigen Anwesenden. Verteidigungsminister Arens erklärte, man habe schon lange beabsichtigt, die führenden Aktivisten der verschiedenen Parteien der PLO und der Hamas-Bewegung zu deportieren, doch sei die Entscheidung aus politischen Gründen bislang immer wieder verschoben worden. Minister Juval Neeman erklärte, daß es angesichts der scharfen internationalen Reaktionen angebracht gewesen wäre, „für diesen Preis“ gleich ein paar hundert Palästinenser zu deportieren.
Doch können alle Kraftsprüche israelischer Politiker nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihnen jetzt international ein schärferer Wind entgegenbläst. Auch politisch führende Persönlichkeiten unter den amerikanischen Juden, die als Vorstandsmitglieder jüdischer Organisationen Mitglieder des sogenannten „Präsidentenclubs“ sind, haben die israelische Regierung am letzten Wochenende gewarnt: Es bestehe keinerlei Aussicht, daß die US-Regierung die Garantie für den 10-Milliarden-Dollar-Kredit an Israel übernehmen werde, wenn die Siedlungspolitik fortgesetzt würde, die im soeben verabschiedeten Haushalt für 1992 mit entsprechenden Geldmitteln ausgestattet wurde. Henry Siegmann, Vorsitzender des „American-Jewish Congress“, nannte die erneute siedlungspolitische Initiative der israelischen Regierung „einen Skandal mit historischen Konsequenzen“, weil damit die „Rettung der sowjetischen Juden“ gefährdet werde, die Israel ohne diese Kredite nicht finanzieren könne. Israel werde selbst entscheiden müssen, was wichtiger sei: Die Einwanderung und Integration der sowjetischen Juden mit amerikanischer finanzieller Unterstützung — oder die Gründung immer neuer Siedlungen in den besetzten Gebieten. Der bisherige Vorsitzende des „Präsidentenclubs“, Seymur Reich, erklärte, die Siedlungspolitik mache alle Bemühungen der jüdischen Organisationen um die Gewährung der Kreditgarantien zunichte.
Auch in Israel sind inzwischen Zweifel daran aufgekommen, ob man die Garantie für die Kredite wirklich erhalten wird. Es wird damit gerechnet, daß die USA Ende Januar die Gewährung mindestens einer Teilsumme von der Einstellung der Siedlungspolitik abhängig machen werden.
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