: Eine Anwältin im Drogengeschäft
■ Vorm Schöffengericht: Bremer Juristin wurde von Drogendealern abhängig
Beihilfe zum Rauschgifthandel in größeren Mengen, Kokainkauf und -verbrauch, Kreditkarten- Betrug, versuchte Erpressung und Nötigung — die Liste der Anklagen, die Staatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer gestern vor dem Schöffengericht gegen die ehemalige Bremer Rechtsanwältin Doris Schmidt (Name geändert) erhob, war nicht von Pappe. „Das ist jetzt alles zwei Jahre her“, erklärte die Angeklagte gestern, „und bis heute begreife ich selber nicht, wie ich das machen konnte.“ Trotzdem versuchte Doris Schmidt, die ihren Anwaltsberuf schon vor der Anklageerhebung aufgegeben hatte und heute als Verwaltungsangestellte arbeitet, dem Gericht gestern begreiflich zu machen, wie sie in diese „Verstrickung von Tatsachen“ geraten war.
Schon während ihres Studiums hatte die heute 36jährige Doris Schmidt den für sieben Jahre wegen Drogenhandels in Fuhlsbüttel einsitzenden Peter R. kennengelernt. Später vertrat sie ihn auch als Anwältin in einem Strafverfahren, daß gegen R. wegen Drogenhandels im Knast geführt wurde. Doris Schmidt gründete eine Anwaltssozietät in Bremen und spezialisierte sich auf Rauschgiftprozesse. Die Beziehung zu R. lebte wieder auf, als Schmidt sich in einen drogenabhängigen Freund von ihm verliebte.
Die Freundschaft bekam zunehmend auch einen geschäftlichen Hintergrund — zunächst aber noch im Rahmen der Gesetze: „Es sah damals nicht besonders rosig aus in unserer Sozietät“, berichtete Schmidt gestern dem Gericht, „aber Peter R. kannte viele Leute aus der Szene und konnte uns das eine oder andere Mandat verschaffen.“
Auch als R. sie — wegen offenen Polizei-Ermittlungen gegen seine Drogengeschäfte bereits in die Türkei geflüchtet — telefonisch aufforderte, 30.000 Mark in bar mit in den gemeinsamen Türkei-Urlaub zu bringen, habe sie noch den Gedanken, Geld aus Drogengeschäften zu überbringen, verdrängt. „Mir war zwar klar, daß das Geld aus Drogengeschäften stammen mußte, aber ich habe einfach beide Augen zugedrückt“, sagte Schmidt. Selbst als sie später Briefe für den inzwischen in Krefeld inhaftierten R. als dessen Anwältin in den Knast hinein- und herausschmuggelte habe sie sich immer noch eingeredet, mit den darin organisierten Drogengeschäften nichts zu tun zu haben.
Erst als sie sich in Hans-Jürgen G., einen anderen Bekannten von R. verliebte, hielt sie ihren wackeligen Selbstschutz nicht mehr aufrecht. „Es muß was zum Vorfeuern da sein“, habe G. zu ihr gesagt, und sie sei daraufhin Kokain für die gemeinsamen Abende in einer Neustädter Kneipe kaufen gegangen, das dann auch gemeinsam geschnupft wurde.
Da war es dann nur noch ein kleiner Schritt für die Anwältin, mit G., einem weiteren Freund und einer gefälschten Kreditkarte auf Einkaufstour nach Hamburg zu fahren. „Handtücher, Pullover, Schuhe, Parfum und ein Kaffee-Service“ im Wert von „rund 6.000 Mark“ habe sie danach wieder mit nach Hause gebracht, erinnerte sich Doris Schmidt gestern.
Wenige Tage später war der Ausflug der Anwältin ins Drogendealer-Milieu abrupt zu Ende. Nach belastenden Aussagen der inzwischen verhafteten Freunde ermittelte die Staatsanwaltschaft und ließ Doris Schmidts Wohnung durchsuchen. Und Freund R. wurde inzwischen wieder zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. „Ich denke, ich stehe neben mir, wenn ich daran zurückdenke“, gestand Doris Schmidt gestern unter Tränen. Ase
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