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Die Resonanz des Raumes ist die Kunst

■ Der Maler Ernst F. Drewes zeigt in der Galerie Art Acker Arbeiten, die die Sichtbarkeit von Bildern in Frage stellen

Abstrakte Malerei ist eine Sache für sich und entwickelt eine Relevanz erst durch das permanente Infragestellen ihrer Grundlagen. Die Techniken der Bilderproduktion werden dabei ebenso beleuchtet wie der Ausstellungsraum als Ort einer konzentrierten Wahrnehmung. In der Galerie »Art Acker« sind Bilder von Ernst F. Drewes zu sehen, die darauf verzichten Gegenstände zu sein, und deshalb im eigentlichen Sinne keine Bilder (»Öl auf Leinwand«) mehr sind. Durch den Rückbezug zum Raum gewinnen die gesetzten Zeichen ihre ästhetische Qualität und bringen somit die Selbstbezüglichkeit der Kunst aus den Fugen.

Der Künstler hat mit weißer Farbe rechteckige Flächen auf die weiße Wand der Galerie gemalt. Kaum erkennbar verdoppeln sich die Farbe und die Funktion der Wand als Bestandteil des Raumes wie des Bildes. Die Differenz dieser beiden Eigenschaften läßt sich dadurch ablesen, daß die Zone des Bildes durch einen schwarzen und kaum sichtbaren Bindfaden eingegrenzt ist. Das Bild wird zum Definitionsproblem und in einem Austauschprogramm der künstlerischen Bestandteile neu bestimmt.

Entgegen der mit Kunst-Bedeutung beladenen Ölfarbe verwendet Drewes in weiteren Bildern bräunliches Tesakrepp, das, als kleine Papierfetzen auf der Wand klebend und ebenfalls eingegrenzt durch einen mit Nägeln fixierten Bindfaden, die Geste des Malens destruiert. Die Untersuchung der Malerei ist wie in einer Laborsituation systematisiert. Die Erscheinungsmerkmale des Bildes werden dabei zwar nicht auf formale Gestaltungsmerkmale hin analysiert, die Vereinfachung der Bildstruktur sowie der Verzicht auf abbildhafte Bezüge stehen jedoch zur Disposition und werden als Selbstverständnis des Mediums neu formuliert: Die Bilder operieren mit der räumlichen Struktur des Ortes.

Horizontale und vertikale Kreppstreifen werden zum Beispiel so übereinandergelegt, daß an den Schnittstellen jeweils ein kleines Stück der Wandfläche unbedeckt bleibt: Das Verhältnis von Wand und Bild ist verschoben, die Bestandteile des Bildes als Material des Raumes werden unter die Lupe genommen.

Das Problem der Materialität beziehungsweise Immaterialität des Bildes, so scheint es, läßt sich nicht mehr durch den Rückgriff auf bekannte Formeln der Gegenständlichkeit von Bildern lösen. Die von dem amerikanischen abstrakten Maler Frank Stella in den sechziger Jahren ausgerufene knappe Parole: »Was man sieht ist, was man sieht« — als Beleg für die materielle Wirkung seiner Malerei — parierte sein Kollege Brice Marden mit dem ebenso knappen Slogan: »There is more than what there is«.

Gerade was dieses »Mehr« bedeutet und ob abstrakte Malerei die Möglichkeit bietet, ein Terrain offenzulegen — jenseits des materiell Wahrnehmbaren — steht zur Diskussion. Die Bilder von Ernst F. Drewes suchen eine Antwort auf dieses Problem nicht innerhalb der Kategorie gegenständlicher Malerei, sondern setzen auf die Reaktion zum Aggregatzustand des Raumes. Ein Streifen mit Klebepapier wird über Wand, Boden und Decke geführt und legt die Koordinaten des Wirkungsraumes dieser Kunst fest.

Ein anderes Bild, das über Eck gestellt ist, forciert diesen Eindruck. Die gegenwärtigen künstlerischen Möglichkeiten sind in diesen Bildern auf die Bedeutung des Raumes rückgekoppelt; die Einrichtungsgegenstände wie Kachelofen und konventioneller Stuck stehen in visueller Spannung zur Präsenz der Eingriffe. Nicht die Bilder allein, sondern erst die Eigenschaften aller Elemente inventarisieren diesen Raum in seiner ästhetischen Wirkung zur Kunst. Diese Akzentverschiebung findet zwar in der Galerie statt und bewirkt eine unmittelbare Wahrnehmungsanalogie zwischen Ort und Bild, benötigt aber nicht die Deklaration im Kunstkontext.

Ernst F. Drewes setzt auf den Raum als Auslöser und Determinante der Malerei: Der Zeitraum der Ausstellung entspricht der Existenzdauer der Bilder. Herbert Jochmann

Noch bis 2. Februar, Galerie Art Acker, Ackerstraße 18, Berlin- Mitte, do., fr. 16-20 Uhr, sa., so. 11-14 Uhr. Zur Austellung erscheint ein Katalog.

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