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Jesus lebt in 8700 Würzburg!

■ Innere Geist-Jesus-Kirche weiß: Vorbereitungen zur Machtübernahme laufen auf Hochtouren

Der Raum ist hell erleuchtet. Um eine lilafarbene Kerze sitzen etwa dreißig Brüder und Schwestern. Still, die Augen geschlossen, warten sie auf eine Botschaft.

ER wird zu ihnen sprechen. Ab 19.30 Uhr steht die weltweite telefonische Verbindung zu IHM. ER könnte unter Palmen auf den Kanarischen Inseln leben, in einer Villa auf dem Zuckerhut in Rio de Janeiro, aber ER liebt es immer noch wie vor fast 2000 Jahren schlicht und einfach — Jesus wohnt am Haugerring 7, 8700 Würzburg.

In wenigen Minuten wird ER in diesem kleinen Laden in der Kreuzberger Fidicinstraße zu hören sein. Jetzt steht die Leitung, die Verbindung ist rauschfrei, doch ER ist nicht selber am Apparat. ER hat Schwester Gaby vorgeschickt, die wissen möchte, wie der Slogan der letzten Woche, »GOTT IST«, gewirkt hat. Bruder Georg [Ich bin mit dem Mann weder verwandt noch verschwägert! d. säzzer] aus Köln meldet sich. Georg verrichtet eine ganz miese Arbeit, aber das macht ihm nichts mehr aus, seitdem er sich immer wieder sagt: GOTTISTGOTTISTGOTTIST! Auch Hermann aus dem österreichischen Linz machte gute Erfahrungen: er hatte vor einem Kundentermin starke Schmerzen, aber schon ein einziges GOTTIST half dem Mann.

Das Lied »Du bist unser Vater, unser Licht« (Musik nach For Baby von John Denver) gibt Gelegenheit zur inneren Einkehr. Die Innere Geist- Christus-Kirche (IGCK) führt einen recht sympathischen Feldzug gegen die katholische Amtskirche und die USA. Den Päpsten wird Massenmord vorgeworfen (60 Millionen Tote), Psychoterror (Dogma der Höllenstrafe) und Kriegshetze, zuletzt im jugoslawischen Bürgerkrieg. Aber damit ist bald Schluß, denn Jesus hat genug Gotteslästerung erfahren und wird Papst Johannes & Co die Hammelbeine langziehen. Schon am 19. Juli 1986 änderte Jesus das VATER UNSER. Es heißt nun »Du führst uns in Versuchung, und erlöst uns von dem Bösen. Denn unser ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.«

Damit stellt Jesus klar: der Himmel ist für alle da, die Hölle eine Erfindung der Antichristen. Dann schrieb ER ein Buch. Es heißt Der Dämonenstaat und sagt eine Entscheidungsschlacht voraus »zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen dem Göttlichen und dem Satanischen auf dieser Erde... Gleichzeitig decke ich, Christus, jetzt das Prinzip auf, nach welchem der Widersacher die Menschen verführt.«

Das Gesetz des Dämonenstaates ist Egoismus und das Streben nach Macht, der Antichrist treibt vor allem in den USA sein Unwesen. »Nachdem die Indianer weitgehend ausgerottet waren, griff der US-Imperialismus in die weite Welt hinaus«, klagt das IGCK-Blatt 'Christusstaat‘ und fragt den Leser: »Führte Bush einen Privatkrieg gegen Panama?« Die US-Regierung, eine Clique korrupter Drogenfreaks, wird jedoch den Kampf gegen Jesus verlieren, denn ER bereitet seine Heerscharen gut vor: mit Broschüren, Meditationsfernkursen in acht Sprachen für lächerliche 120 Mark und telefonischen »Christusstrahlungen« — die nächste erfolgt am 4. März 1992 um 6.30 Uhr.

In der Kreuzberger Filiale der Inneren Geist-Christus-Kirche spricht Bruder Johann aus St. Gallen zu seinen Mitkämpfern. Sein Schweizerdeutsch, daß er spricht, ist zwar kaum verständlich, aber zwei Worte lassen die andächtig lauschenden Anwesenden immer wieder zustimmend nicken: GOTT IST! Ja, wahrhaftig, jeden Freitag ab jeweils 19.15 Uhr in der Fidicinstraße 17, Kreuzberg 61. Werner

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