: Rollback gegen Oskar Lafontaine
■ Seine Forderung, die Nato möge die Sicherheit der GUS-Staaten garantieren, bringt ihn innerparteilich in die Schußlinie/ Verheugen: „Er spinnt“ und hat sich „selbst disqualifiziert“/ Affront gegen Engholm
Hamburg/Saarbrücken (ap) — Mit seinem Eintreten für eine östliche Ausdehnung der Nato ist der stellvertretende SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine auch in der eigenen Partei in die Schußlinie geraten. Übereinstimmend warfen ihm der SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Verheugen und CDU-Generalsekretär Volker Rühe in Zeitungsinterviews vor, sich als Kanzlerkandidat der SPD disqualifiziert zu haben. Nach Ansicht Verheugens wird der Widerstand gegen Lafontaine in der SPD stärker. Dagegen erklärte der Vorsitzende der Jungsozialisten in der SPD, Ralf Ludwig, Lafontaine sei der Wunschkandidat der Jusos.
Verheugen griff Lafontaine in der 'Bild am Sonntag‘ mit scharfen Worten an: Lafontaine habe sich mit dem Vorschlag, die Nato solle Sicherheitsgarantien geben für die aus der Sowjetunion hervorgegangene Gemeinschaft unabhängiger Staaten, „selbst disqualifiziert; er hat bewiesen, daß er von Sicherheitspolitik nichts versteht, er spinnt“. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende und saarländische Ministerpräsident hatte den Vorschlag überraschend auf einer Pressekonferenz mit dem SPD-Vorsitzenden Björn Engholm gemacht. Verheugen sah darin „nur höchstpersönliche Zwecke“. Lafontaine habe Engholm düpiert und vorgeführt. „Er wollte zeigen, wer den Ton angibt.“ Ähnlich äußerte sich CDU-Generalsekretär Rühe. Er forderte die SPD in einem Gespräch mit der 'Welt am Sonntag‘ auf, Lafontaine „aus dem Kreis ihrer Bewerber um den Kanzlerkandidaten herauszunehmen“: Es sei unverantwortlich, wenn der SPD-Politiker die Sicherheits- und Außenpolitik instrumentalisiere, um sich in Szene zu setzen. Rühe forderte Engholm auf, für seine Partei schnellstens Klarheit zu schaffen.
Sicherheitsgarantien der Nato für die GUS-Republiken einschließlich der chinesisch-russischen Grenzen wären nach Ansicht Rühes „völlig abenteuerlich“ und „das Ende des Bündnisses“. „Wer das Nato-Bündnis bis zum Ussuri ausweiten will, wird es kaputtmachen. Die EG bis zum Ussuri ausweiten heißt, ihre Idee zerstören und alles relativieren. Das ist das gefährlichste, was deutsche Politik im Augenblick überhaupt machen kann.“
Der Juso-Vorsitzende Ludwig bezeichnete Lafontaine im Saarländischen Rundfunk als kreativen Politiker, der streitbare Themen in den Ring werfe und in der Lage sei, der SPD neue Impulse zu geben. Die Debatte in der Partei über den künftigen Kanzlerkandidaten sei überflüssig, meinte er. Dabei habe die SPD politische Sachthemen verschlafen und sei bei wichtigen Themen weggetaucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen