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Das Haus für Gebraucher

■ Schöne Waren statt häßliche Zellen: Wird aus der Ostertorwache jetzt ein Wagenfeld-Zentrum? Beate Manske im Interview

Beate Manske von der Wagenfeldstiftung i.Gr.: „Wir könnten sofort anfangen“Foto: Holzapfel

In zwei Wochen wird voraussichtlich der Senat entschieden haben, ob aus der alten Ostertorwache, jetzt noch als Untersuchungsknast mißbraucht, ein konspiratives Haus für Design und Produktgestaltung wird. Dort könnte nicht nur das kleine „Design-Zentrum“ Unterschlupf finden. Auch der reiche Nachlaß Wilhelm Wagenfelds (1900-1990), des großartigen

hierhin bitte das

Foto von der kurzhaarigen

Frau mit Brille

und zudem in Bremen geborenen Industriedesigners, stünde bereit. Und nicht von ungefähr: Der alte Wagenfeld hatte seinerzeit, in Berlin, noch selber die Wagenfeld-Ausstellung gesehen, welche die Bremer Kunsthistorikerin Beate Manske 1987, ursprünglich für das hiesige Focke-Museum, zusammengestellt hat. Wagenfeld, der schon mal erwogen hatte, seine Hinterlassenschaft nach Bremen zu geben, fand sich prompt ermutigt — „wenn es nur nicht museal wird“. Die taz fragte Beate Manske, wie sie sich die Belebung der Ostertorwache vorstellt. Sie ist inzwischen designierte Geschäftsführerin der „Wilhelm-Wagenfeld-Stiftung in Gründung“.

taz: Unbekannte Gönner haben fünf Millionen geboten, falls Wagenfelds Nachlaß in die Ostertorwache kommt. Was sind das für Methoden, und was für Leute?

Beate Manske: Die kommen aus dem Umfeld der „Gesellschaft für Produktgestaltung“: Neben Gestaltern sind das vor allem Leute hier aus der Wirtschaft. Die haben ein Interesse, daß an diesem Ort ein Haus für Design entsteht. Die alte Wache war ja alle zehn Jahre für eine kulturelle Nutzung im Gespräch, und bisher wollte sie niemand haben, weil sie zu viele zu kleine Räume enthält.

Und Sie? Müßten Sie die Gefängniszellenstruktur nicht, wie man sagt, entkernen?

Für uns wäre das genau richtig: im vorderen Riegel wär Platz für Öffentlichkeit: ein bißchen Ausstellungsfläche für das Design- Zentrum und immer mal wieder

einen kleinen Teil der Wagenfeld- Objekte. Und hinten Büros und, auf mehrere Räume verteilt, Archiv und Bibliothek. Für die Umbau-Arbeiten, die dann noch nötig sind, und für die erste Ausstattung mit Vitrinen undsoweiter würde das angebotene Geld, nehm ich mal an, gerade reichen. Nachher kann man immer noch überlegen, ob man in ein paar Jahren hinten, wo jetzt noch in einem baufälligen Anbau die Hundestaffel der Polizei haust, eine kleine Mehrzweckhalle hinstellt.

Für Ihre Mitbewerber, namentlich den Künstlerverband BBK, wäre dann wohl kein Platz mehr.

Leider nicht. Das wär nicht im Sinn der Geldgeber. Die wollen Design. Und vielleicht, wenn mal vermietbarer Raum übrig ist, selber was machen.

Wenn alles glatt liefe, wann könnten Sie anfangen?

Das ginge sehr schnell. Die Stiftung ist sozusagen komplett.

Was hat die Stiftung für Schätze im Fundus?

Eine sehr große Sammlung von Objekten, sämtliche Werkzeichnungen, sehr viele Handskizzen, eine Bibliothek mit zum Teil ganz seltenen Katalogen aus Wagenfelds Bauhaus-Zeit. Und dann vor allem seine Korrespondenzen und Schriften, deren Theorieanteil übrigens enorm ist. Da denk ich mir oft: Meine Güte, mit welch alten Problemen sich die Designer heute noch rumschlagen. Dagegen ist Wagenfeld höchst aktuell.

Und haben Sie auch schon Geld?

Noch gar keins. Das wird das Land Bremen als Stiftungsmitglied jetzt in den Haushaltsberatungen festlegen müssen. Der andere Teil, die Familie Wagenfeld, bringt nur die Güter ein. Aber was heißt nur: Museen aus Stuttgart, aus Berlin haben schweres Geld dafür geboten.

Das sind alles schöne Sachen, aber doch hergeholt. Glauben Sie, daß die einheimische Industrieproduktion sich davon beeindrucken und gar beleben läßt?

Die mittelständische, die man damit hauptsächlich fördern will, auf alle Fälle. Aber auch für einen großen Rüstungsbetrieb, sagen wir mal Krupp-Atlas, ist, sofern er zur Konversion neigt, Wagenfeld interessant, der ja auch ein erfolgreicher Unternehmer war. Ich denke da an seine Überlegungen zur Ökologie des Materials: Was nehme ich wofür, was brauchen die Leute, die er immer, statt Verbraucher, die Gebraucher nannte. Wie wohnen Kleinfamilien? Was brauchen Singles? Mit Profis, die dafür ein feeling haben, fängt alles an.

Und die wiederum fangen als Azubis an. An Ausbildungsmöglichkeiten aber hat Bremen gar nichts zu bieten.

Richtig ausbilden geht hier nicht, da könnten wir nie konkurrieren. Aber Fortbildung gibt es: das Design-Labor in Bremerhaven. Denkbar wäre auch daß die bremische Hochschule für Gestaltung ein bißchen Produktdesign anbietet. Vielleicht ginge es sogar, ohne daß man teure Labors einrichtet: Bei Mercedes zum Beispiel gäbe es riesige Werkstätten, die sicherlich nicht voll ausgelastet sind. Interview: Manfred Dworschak

hierhin das Geschirr

Geschirr für die Lufthansa, 1954/55

hierhin die Schüssel

Jenaer Schüssel, 1938/39

hierhin die Lampe

Auch von Wagenfeld: Die Bauhaus-Tischleuchte, 1924

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