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Eine Geste der Hilfe an die GUS-Staaten

In Washington beraten 47 Nationen über die Koordination und Verteilung der Hilfe an die Staaten der ehemaligen Sowjetunion/ Transatlantische Spannungen um die Höhe der Verpflichtungen  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Präsident George Bush ließ sich die Chance zur außenpolitischen Selbstdarstellung nicht entgehen. Als Ausrichter einer zweitägigen Konferenz zur Koordinierung der Hilfe an die ehemaligen Staaten der Sowjetunion appellierte Bush gestern in Washington an die Vertreter der 47 Teilnehmernationen, den zwölf neuen unabhängigen Staaten bei ihrem Übergang vom Kommunismus zur Demokratie und zum freien Markt hilfreich unter die Arme zu greifen. Mit Außenminister Genscher zu seiner Rechten lobte der US-Präsident die Europäische Gemeinschaft für ihre technischen Hilfsprogramme und Deutschland für „die Übernahme enormer Verantwortlichkeiten“. Überraschend forderte er den US- Kongreß dazu auf, zusätzliche 600 Millionen Dollar für technische Hilfe an die GUS-Staaten bereitzustellen.

Nach außen hin waren sich die rund 40 zu der Mammutkonferenz angereisten Außenminister denn auch einig, daß es hier in Washington um schnelle konkrete Hilfsmaßnahmen und um die Bündelung der Ressourcen für die notleidenden Nachfolgestaaten der Sowjetunion gehe. Nur über die zukünftige Verteilungsmasse und den jeweiligen Anteil der hier vertretenen Geberländer gingen die Meinungen weit auseinander. „Laßt uns die sterile Debatte darüber, wer von uns am meisten oder am wenigsten getan hat, vermeiden“, mahnte Bush.

Schon im Vorfeld der im Dezember von US-Außenminister Baker plötzlich bekanntgegebenen Konferenz war es zwischen den USA und den Europäern zu Spannungen gekommen. Die Europäer fühlten sich vom Vorgehen Washingtons überrumpelt, da die Bush-Administration bisher wenig Neigung gezeigt hatte, den GUS-Staaten finanziell unter die Arme zu greifen. „Frankreich bedauert, daß die USA, die nur 20 Prozent der dringenden Nahrungsmittelhilfe beigesteuert haben, hier die Leitung der Koordination übernehmen“, macht der französische Außenminister Roland Dumas unverblümt klar.

Und auch ein hoher Beamter aus dem Auswärtigen Amt hatte der US- Presse in der letzten Woche gesteckt, die USA sollten lieber ganz schnell über zusätzliche Verpflichtungen nachdenken, sonst gebe es in Washington in dieser Woche gar nichts zu diskutieren. Die Deutschen behaupten, bisher zwischen 50 und 70 Prozent der bisherigen Hilfe an die Ex-Sowjetunion und heutigen GUS- Staaten bestritten zu haben, während die USA bisher nur auf Getreidelieferungen in Höhe von vier Milliaren Dollar verweisen können, der Großteil davon Kreditbürgschaften. Einig ist man sich lediglich darin, daß die ebenfalls an der Konferenz teilnehmenden Golfstaaten und Japan kräftig zur Kasse gebeten werden sollen.

Zwar findet in den USA derzeit unter Wirtschaftswissenschaftlern und Sowjetexperten eine rege Diskussion über Formen und Ausmaß der benötigten Unterstützungsleistungen an die auseinandergebrochene Sowjetunion statt. Hier predigen konservative Ökonomen das alleinige Vertrauen auf die magischen Kräfte des freien Marktes beim Aufbau der GUS-Wirtschaften, während die Keynesianer und Jelzin-Berater an den amerikanischen Hochschulen längerfristige Milliardenprogramme nach dem Vorbild des Marshallplans fordern. Politisch wären letztere Vorschläge jedoch reinster Selbstmord. In einer Zeit, in der George Bushs republikanischer Rivale bei den Vorwahlen in New Hampshire mit seiner Kampagne gegen jede Form der Auslandshilfe großen Anklang findet, kann sich der US-Präsident keine großzügigen Versprechungen gegenüber den GUS-Staaten mehr leisten.

Bushs 600-Millionen-Vorschlag an den US-Kongreß schiebt den Volksvertretern nun diese unpopuläre Entscheidung zu. Am Ende dürfte die eindrucksvolle Außenministerparade auf der am Donnerstag abschließenden Koordinierungskonferenz eine reine politische Geste bleiben. Denn koordinieren, so der stellvertretende Vorsitzende des internationalen Brokerhauses Goldman Sachs, Bob Hormats, „können auch Technokraten“.

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