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Mit höheren Preisen gegen Bauernsterben

Die Bauernopposition ABL kämpft für eine extensive und umweltfreundliche Landwirtschaft  ■ Von Hannes Koch

„Was wir zu sagen haben, hören die Herren nicht gerne“, sagt Josef Jakobi schmunzelnd. Schon oft haben er und seine Mitstreiter der „Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft“ (ABL) den Landwirtschaftspolitikern in Bonn und Brüssel die Zornesröte ins Gesicht getrieben. Während in Brüssel um die Senkung der Agrarpreise gerungen wird, verlangen sie deutlich höhere Erzeugerpreise. Nur so, glaubt ABL-Vorsitzender Jacobi, könnten die Kleinbauern vor dem durch die Agrarpolitik verursachten Exitus gerettet werden.

In Brüssel fahren die Trecker derweil in entgegengesetzte Richtung: Den EG-Bürokraten liegen vor allem die Großagrarier am Herzen, die durch intensive Bewirtschaftung weit billiger produzieren als die Kleinbauern. Das Ergebnis der europäischen Agrarpolitik ist geradezu absurd: Ein gigantisches Subventionsunwesen und die Produktion horrender Überschüsse an Getreide, Milch und Fleisch reißen jedes Jahr Milliardenlöcher in die Haushaltskassen. Zu allem Überfluß kippen die Erzeuger der subventionierten Überschüsse Unmengen an Düngern und Chemikalien auf die Felder.

Hier setzt der oppositionelle Bauernflügel an. Von der EG-Agrarpolitik hält ABL-Chef Jacobi überhaupt nichts: „Zu diesen Preisen kann nur umweltschädigend produziert werden.“ Die Preispolitik sei ganz auf die Produktion in industriell wirtschaftenden Betrieben zugeschnitten; trotz hoher Subventionen würden die niedrigen Erzeugerpreise den kleinen Bauern den Garaus machen. So bekamen beispielsweise die Bauern 1985 50 Mark für einen Doppelzentner Weizen — heute sind es gerade noch 32 Mark.

Mit höheren Erzeugerpreisen, so argumentiert die Bauernopposition, könnte die gesamte Landwirtschaft auch ökologischer produzieren: Eine extensivere und teurere Produktion mit weniger Chemie und Maschinen, dafür aber mehr Arbeitskräften sei durch eine Abkehr von der Agrarfabrik möglich. „Der Staat soll sich als Regulator für eine umweltfreundliche Landwirtschaft betätigen“, fordert Jakobi. Onno Poppinga, Professor an der Universität Kassel und einer der ABL-Vordenker nennt ein Beispiel: Mit einem Verbot bestimmter Chemikalien, die den Getreidertrag erhöhen, würde die produzierte Getreidemenge zurückgehen und der Preis steigen.

Jörg-Volker Schrader vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel dagegen sieht in den ABL-Forderungen „eine sehr schädliche Tendenz“: Eine solche künstliche Preiserhöhung wirke sich negativ auf den Umweltschutz und die Reduzierung der EG-Überschüsse aus. Um ihre Gewinne zu steigern, würden die Bauern bei steigenden Preisen wieder mehr produzieren und dafür auch mehr düngen, so Schrader. „Außerdem zahlen die Verbraucher dann überhöhte Preise. Die ABL entlarvt sich hier als Interessenvertretung der Bodeneigentümer — der Gesellschaft hilft ihre Politik nicht“, meint der Kieler Agrarexperte.

Bei einem Brötchen für 25 Pfennige mache der Getreidepreis nur einen Pfennig aus, kontert Josef Jakobi. Bei Fleisch, Obst oder Gemüse müßten die KonsumentInnen jedoch tief in die Tasche greifen. Trotzdem verteidigt Jacobi die ABL-Forderung: „Wir sind eine so reiche Gesellschaft, daß wir uns eine teurere Landwirtschaft leisten können.“ Onno Poppinga pflichtet ihm bei: „Eine andere Landwirtschaft kostet eben mehr.“ Gesellschaftlich gesehen, so argumentiert er, sei das sogar ein Geschäft, weil Milliarden unnützer EG-Subventionen und Ausgaben eingespart würden. Die ABL denkt auch an Umverteilungsmaßnahmen : Was der Staat durch die Verringerung der Überschüsse an Subventionen spart, könnte den VerbraucherInnen in Form von Steuererleichterungen zurückgegeben werden.

Daß höhere Inlandspreise nicht ohne weitere protektionistische Maßnahmen zu haben sind, ist auch der Bauern-Opposition klar. Billigere Produkte aus dem Ausland würden schnell die teuren einheimischen Erzeugnisse verdrängen. „Wir wollen die Bundesrepublik nicht in eine geschlossene Gesellschaft zurückverwandeln“, so Onno Poppinga — aber Schutzzölle gegen Agrarimporte würde die ABL dennoch gerne einführen. Das hat den Öko-Bauern bereits den Vorwurf des Alternativ- Protektionismus eingebracht. „Derartige Zölle sollten bei den GATT- Verhandlungen beschlossen werden“, erklärt Josef Jakobi. Doch die Genfer Runde wird sich darauf kaum einlassen.

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