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12.000 DDR-Schuldokumente

■ Ausstellung von Lehrbüchern, FDJ-Fahnen, Elternbeschwerden, Wandzeitungen bis hin zu Gasmasken

Berlin. Der Untergang des DDR- Bildungssystems hat dem Berliner Schulmuseum einen großen Coup gebracht: 12.000 Dokumente, Lehrbücher, FDJ-Fahnen, Pokale, Landkarten, Honecker-Porträts, Lehrernotizen, Elternbeschwerden, Wandzeitungen. Selbst Gasmasken aus dem wehrpolitischen Unterricht in der einstigen DDR landeten nicht im Müll, sondern in einer Ausstellung mit dem fordernden Titel Statt End- Sorgen — Auseinandersetzen. Was Schüler aus Ost oder West darüber denken, können sie jetzt mit Federkiel und Tinte in einem Gästebuch aufschreiben.

»Schlimmste, aber auch positive Erfahrungen« mit der sozialistischen Einheitsschule sind nach Meinung von Museumsdirektor Rudi Schulz nur aufzuarbeiten, »wenn wir sie nicht verdrängen, sondern differenziert betrachten«. Dem großen Reinemachen vieler ostdeutscher Schulen im »Wiedervereinigungsrausch« erlag das Museum nicht, selbst auf die Gefahr hin, nun der Nostalgie bezichtigt zu werden. Ermunterung für seine Position sei erstaunlicherweise meist von westlicher Seite gekommen, so von der Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum, die sich seit Jahren im Westteil der Stadt um ein eigenes Haus bemüht.

Von Ost-Berlin wurden inzwischen Kontakte nach Niedersachsen geknüpft. Mit Historikern und Pädagogen aus Steinhorst ist die gemeinsame Ausstellung »45 Jahre deutsch- deutsche Schulentwicklung im Vergleich« in Arbeit. Nürnberg zeigte die Berliner Sonderschau »Schule in der DDR, was war, was ist, was wird?«.

Manches Dokument aus DDR- Zeiten entbehrt heute nicht einer unfreiwilligen Komik. Bildungsministerin Margot Honecker wetterte noch kurz vor der Wende auf dem IX. Pädagogischen Kongreß gegen alle, »die es nicht wahrhaben wollen und bis heute nicht überwinden können, daß der Sozialismus die Geschichte der Menschheit bestimmt«. Die allgemeine Ordensflut im SED-Regime ließ Pioniere und FDJ-Mitglieder zu unzähligen Ehren kommen: Abzeichen-Blech für »Gutes Wissen« und »Klassenstandpunkt«, »Altstoffsammeln«, und »Sozialistische Pionierhilfe«.

Im Kindergarten ratterten die Spielzeugpanzer. Die Darstellung des »Wehrerziehungsunterrichts«, seit 1978 Anlaß ständiger Auseinandersetzungen zwischen Kirche und SED, ist neu im Museum. Der Direktor hat den Ehrgeiz, die DDR-Sammlung noch mit Beispielen bildender Kunst zu ergänzen.

Das Museum im Oberstock einer von außen tristen Neubauschule in Berlin-Mitte in der Wallstraße verfügt insgesamt über 30.000 Objekte. Genau besehen besteht es seit 1876 und ist damit eines der ältesten Museen Berlins. Dem zeitweilig mit mancher Ostberliner Kultureinrichtung geteilten Schicksal der drohenden »Abwicklung« entging die Einrichtung: »Es gab Gott sei Dank nur ein Schulmuseum«, urteilt der Direktor.

Etwa der zehnte Teil der früher von der DDR-Akademie der pädagogischen Wissenschaften verwalteten Sammlungsbestände ist der Öffentlichkeit zugänglich. Wobei seit eh und je wohl mehr die seltenen historischen Dokumente bei Besuchern aus über 40 Ländern Beachtung fanden. Luthers Schrift »An die Radherrn aller Stedte deutschen Lands: das sie christliche Schulen aufrichten und halten« (1524) findet sich neben dem Königlich Preußischen General- Landschulreglement im Auftrag von Friedrich II., auch Biographien berühmter deutscher Pädagogen wie Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg (1790—1866) oder Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782— 1852) werden nachgezeichnet. Zum Bewahrenswerten gehören außer alten Möbeln jede Menge Schultafeln, Federkästen, Hefte, Spickzettel, Liebesbriefchen, Poesiealben, Gänsekiele, Griffel und Lehrmittel.

Die Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum aus Berlin-Dahlem will sich mit den Ost-Kollegen zusammentun. Sie bringt noch einmal 5.000 bis 6.000 Gegenstände ein. Aus dem Deutschen Historischen Museum wurde eine berühmte Spielzeugsammlung signalisiert. Deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte komplettieren auch 15.000 von Robert Alt gesammelte Fotografien. »Mit dem gewünschten Umzug in eine historische Schule klappt es leider nicht«, sagte der Direktor. Das Haus in Mitte muß bis Ende August geräumt werden. Eine Villa in Spree- Nähe an der Stadtperipherie ist momentan als endgültiges Domizil im Gespräch. Irma Weinreich/dpa

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