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Lubitsch, leider altbacken und ermüdend

■ Eine eher zähe WDR-Produktion würdigt den Regisseur zu seinem 100.Geburtstag

Die ersten Lubitsch-Filme sind bereits in die verschiedenen Kanäle gesickert, wobei Ottilie Normalverbraucher vermutlich bislang noch gar nicht so richtig gespannt haben dürfte, daß der am 29.Januar zu feiernde hundertste Geburstag des Regisseurs, Schauspielers und Autors ursächlich war und Anlaß bot. Dem wird jetzt abgeholfen mit einer dreiviertelstündigen Dokumentation, die das in Sachen Ernst Lubitsch kenntnisreich und verdientsvoll tätige Filmhistorikerpärchen Frieda Graefe und Enno Patalas in Zusammenarbeit mit Martin Koerber für den Westdeutschen Rundfunk erstellt hat.

Lubitsch aus Berlin beleuchtet die frühen Jahre des Schauspielers und Regisseurs, als er, gerade 20jährig, beim Film reüssierte und bereits großen Erfolg verbuchen konnte. Zwei Jahre später wurde der vormalige Max-Reinhard-Eleve Regisseur, weil niemand ihm die Rollen bot, die er sich wünschte.

In der Folge drehte er um die 40 Filme, elf davon abendfüllend, durchkreuzte sämtliche Genres und querte alle erdenklichen Sujets, bevor er nach Hollywood ging und vornehmlich als Spezialist für übermütige und frivole Komödien weltberühmt wurde.

Vom lichtbildnerischen Aplomb, den raffinierten Montagen und dem Esprit des großen Regisseurs haben sich seine BiographInnen offenbar nicht anstecken lassen — wie in einem FWU-Lehrfilm über die Liebesgewohnheiten der Weinbergschnecke kommentiert Enno Patalas aus dem Off die aufgereihten Szenen und Ausschnitte aus frühen Lubitsch-Filmen, doziert trocken wie Professor Grzimek und einschläfernd wie weiland Werner Höfer.

So manche Passage der strapaziösen Erläuterungen im Erkentnnissucherjargon erscheint dem Bildbeispiel mutwillig übergestülpt, beliebig und bemüht; nicht jede Behauptung wird belegt. Das Nahe- und Nebenliegende wird sträflich mißachtet, der Blickwinkel ist auf Lubitsch verengt, der plötzlich Übergröße bekommt und auf einem Piedestal thront, das er selbst vermutlich mit Freuden umgestoßen, wenn nicht gesprengt hätte.

Als „eine in der Filmgeschichte einmalige Explosion von Sujets und Formen“ beschreiben die AutorInnen Lubitschs frühe Schaffensphase im Überschwang der Heldenverehrung — wenn schon die gesamte Filmgeschichte aufgeboten wird, müssen sie sich die Namen von nicht minder vielseitigen Regisseuren wie Billy Wilder, Howard Hawks oder Blake Edwards entgegenhalten lassen.

Man möchte den schulmeisterlichen Pastorenton am liebsten abstellen und viel lieber selber auf Entdeckungsreise gehen. Bemerkenswert etwa, wenn der antisemitischer Bestrebungen unverdächtige Lubitsch, der royalistischen Demagogen ebenso verhaßt war wie den faschistischen, als Schauspieler die Karikatur eines jüdischen Emporkömmlings zum Besten gibt.

Diese an sich harmlose Parodie kann heute von den Nachbildern nationalsozialistischer Propagandafilme unmöglich mit jener Unbefangenheit wahrgenommen werden, aus der heraus sie entstand. Lubitschs mimetische Komik erstickt heute im Unbehagen.

Die Ausstrahlung einer ganzen Reihe von Lubitsch-Filmen verschiedener Perioden in den nächsten Wochen gibt Gelegenheit, frühe und späte Werke zu vergleichen, Motive aufzuspüren, die Handschrift des Künstlers zu entziffern.

Die Dokumentation Lubitsch aus Berlin wird von verschiedenen dritten Programmen, teilweise gekoppelt mit dem 1919 entstandenen Stummfilm Die Austernprinzessin (Buch und Regie: E. Lubitsch), gezeigt.

Die Austernprinzessin ist eine Geschichte um einen amerikanischen Geschäftsmann, dessen Tochter sich in den Kopf gesetzt hat, einen Adligen zu heiraten. Statt dessen verkuppelt der Vater sie mit seinem verkleideten Kammerdiener.ler

Die Termine:

N3: Sonntag, 26.Januar, 15Uhr;

West3: Montag, 27.Januar, 22.30Uhr;

ORB: Mittwoch, 29.Januar, 19.30 Uhr;

Bayern3: Donnerstag, 30.Januar, 22.55 Uhr;

Hessen3, Donnerstag, 30.Januar, 22.45 Uhr.

Außerdem:

Sumurun (1920), Sonntag, 26.Januar, 11.30 Uhr, Bayern3, und um 15Uhr auf West3

Serenade zu dritt (1933), Montag, 27.Januar, 21.15Uhr, Südwest3

Ernst Lubitsch — Lektion in Kino, Montag, 27.Januar, 22.45Uhr, Südwest3

Ärger im Paradies (1932), Montag, 27.Januar, 23.10Uhr, ARD

Ein himmlischer Sünder (1943), Dienstag, 28.Januar, 23.00Uhr, ZDF

Sein oder Nichtsein (1942), Dienstag, 28.Januar, 22.55Uhr, ORF1

Ein himmlischer Sünder (1943), Dienstag, 28.Januar, 23.00Uhr, ZDF (Wiederholung Mittwoch, 29.Januar, 11.03Uhr)

Engel (1937), Donnerstag, 30.Januar, 20.00Uhr, Hessen3.

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