: Öko-Aufschwung Ost bleibt vorerst aus
Ifo-Institut: Umweltsanierung in den neuen Ländern erst im nächsten Jahrtausend möglich ■ Von Hannes Koch
Erfurt (taz) — „Machen Sie sich keine Illusionen!“ Der Wirtschaftsforscher Rolf-Ulrich Sprenger treibt seinen ZuhörerInnen die Blütenträume über die Öko-Zukunft der östlichen Bundesländer aus dem Kopf. Die Vorhersage des Leiters der Abteilung Umweltökonomie des Münchner Ifo-Instituts: Die Sanierung der Umwelt im Osten werde bestenfalls schleppend vorankommen. Sprenger widerspricht damit vehement dem Zweckoptimismus der Bundesregierung. Die verkündet unverdrossen, daß bis zum Jahre 2000 die Umwelt in der Ex-DDR wieder in Ordnung sei.
„Die neuen Länder brauchen mindestens 211 Milliarden Mark für die Sanierung der Gift-Altlasten und die Nachrüstung der alten Industrien mit Umwelttechnik“, schätzte Umweltökonom Sprenger auf einer Umwelttechnik-Tagung in Erfurt. Zur Zeit seien Staat und Wirtschaft gewillt, diese Summen aufzubringen. Die anwesenden östlichen KommunalbeamtInnen und westlichen IndustrievertreterInnen lehnten sich schon entspannt zurück, als Sprenger hinzufügte: „Aber in drei Jahren ist das Geld vielleicht schon nicht mehr da. Also beeilen Sie sich mit ihren Investitionen.“ Sprenger vermutet nämlich, daß die EG die heimliche Subventionierung der Ost-Industrie unterbinden wird und auch die Spendierfreudigkeit der Bundesregierung nachläßt. Die Öko-Sanierung bis zum Jahr 2000 könne auch deshalb nicht gelingen, weil die neugeschaffenen Umweltverwaltungen in den östlichen Bundesländern nicht besonders schlagkräftig seien. „Die werden die 200 Milliarden kaum in zehn Jahren verteilen können“, so Sprenger. Eher düstere Aussichten auch beim Thema „Strukturwandel“: Von einer Hinwendung zu umweltfreundlichen Produktionsweisen in der Industrie sei nicht viel zu merken, sagte der Ifo-Forscher. Zwar seien die größten Giftschleudern der Chemieindustrie stillgelegt worden, aber „die neuen Investoren sind nicht gerade die Musterknaben des Umweltschutzes“. Ein großer Teil des in den neuen Ländern investierten Geldes fließt zur Zeit in die Branchen Stahl, Chemie, Fahrzeugbau und Druck-Erzeugung. Häufig wechseln die Firmen in den wilden Osten, weil dort die Behörden außerstande sind, die Umweltauflagen durchzusetzen. Mit dem Angebot, Arbeitsplätze zu schaffen, sitzen die Fabrikchefs am längeren Hebel.
Die in Erfurt diskutierte Liste der umweltschädlichen Investitionen war umfangreich: Flächenverbrauch durch den Straßenbau, Neubau von Lebensmittelmärkten auf der grünen Wiese statt Recycling alter Industrieareale, Mülltourimus von West nach Ost. Wo die Luftverschmutzung durch Braunkohle-Verfeuerung abnimmt, steigt der Giftgehalt durch die Zunahme des Autoverkehrs umgekehrt wieder an. „Das ist nicht der ökologische Umbau, da werden die Belastungen nur verlagert“, resümierte Rolf-Ulrich Sprenger.
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