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Karyatide

Entrücke dich dem Stein! Zerbirst

die Höhle, die dich knechtet! Rausche

doch in die Flur! Verhöhne die Gesimse —

sieh: Durch den Bart des trunkenen Silen

aus einem ewig überrauschten

lauten einmaligen durchdröhnten Blut

träuft Wein in seine Scham!

Bespei die Säulensucht: toderschlagene

greisige Hände bebten sie

verhangenen Himmeln zu. Stürze

die Tempel vor die Sehnsucht deines Knies,

in dem der Tanz begehrt.

Breite dich hin, zerblühe dich, oh, blute

dein weiches Beet aus großen Wunden hin:

sieh, Venus mit den Tauben gürtet

sich Rosen um der Hüften Liebestor —

sieh dieses Sommers letzten blauen Hauch

auf Astermeeren an die fernen

baumbraunen Ufer treiben; tagen

sieh diese letzte Glück-Lügenstunde

unserer Südlichkeit

hochgewölbt.

Gottfried Benn, aus: Gesammelte Werke, Band III, Gedichte, Klett-Cotta, Stuttgart 1978

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