: Fahrbare Dreckklumpen
Der Italiener Daniele Pontoni wurde Amateurweltmeister im Rad-Querfeldeintragen ■ Aus Leeds Ole Richards
Daniele Pontoni strahlt. Mit jedem neuen Siegergrinsen löst sich ein weiteres Stück nordenglischer Dreck aus seinem norditalienischen Gesicht. Der 25jährige Oberkellner aus Udine ist soeben Weltmeister der Amateure im Rad-Cross geworden. Wo andere im aufgetauten Schlamm des Roundhay-Parks von Leeds versanken, rollte das strampelnde Leichtgewicht auf seinem früher einmal ein Fahrrad gewesenen Dreckklumpen weiter. Locker trat Pontoni auf den fahrbaren Abschnitten der 2,9 Kilometer langen Berg- und Talrunde in die Pedale, übersprang genauso leichtfüßig aufgestellte Barrieren und Treppen und saute sich dabei richtig ein, wie es die Liebhaber dieser schmuddligen Sportart so sehr mögen.
Dreck ist schön
„Ich war mir meines Sieges ziemlich sicher“, verblüffte der Cross-Spezialist mit völlig fehlenden Zweifeln an seinen Lauf- und Tretkünsten. Schwarzschopf Daniele gewann zwar in dieser Saison bereits drei internationale Rennen, aber alle in Italien auf seinen maßgeschneiderten Heimpisten. In Leeds überholte er schon zu Beginn der zweiten Runde den Schweizer Dieter Runkel und beendete damit alle Positionsstreitereien. Im Ziel hatte Pontoni 46 Sekunden Vorsprung und genügend Zeit, ein neues Rad zu besteigen, das Trikot zu säubern und die Kulleraugen von einer dicken Dreckkruste zu befreien.
Schieben ist schön
Manche nennen die „Querfeldeinfahrer“ (deutsch) die schizophrensten Sportler. Ein bekanntlich zum Fahren konstruiertes Sportgerät wird von den „Querlern“ (schweizerisch) drei- bis viermal pro Runde geschoben, geschultert und getragen. Und die „Velo-Crosser“ (englisch) schlingern in die Krise. Mountainbike heißt ihr Feindbild. Die Biker haben bereits eigene Weltcup-Rennen, eigene Fachmagazine und vor allem eine eigene Sportindustrie. Selbige bringt mit reichlichen Finanzspritzen die Mountainbikes zum Rollen.
Nun soll das gestoppt werden. „Es kann jetzt kein Skiverband mehr Mountainbike-Rennen ausrichten, wie er will“, erläutert Bundestrainer Klaus Jörgens die Offensive der Crossfahrer. Ab sofort kassiert der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) Lizenzgebühren. „Außerdem werden viele Straßenfahrer zu uns zurückkehren“, glaubt Jörgens, „weil sie sich beim Biken den Fahrstil versauen.“
Verlieren ist schön
Dieter Runkel kam als Verlierer ins Ziel und jubelte. Der Schweizer Meister gewann zwar im vergangenen November im Roundhay Park von Leeds den Nations-Cup, bei Weltmeisterschaften jedoch hat er regelmäßig versagt. Diesmal gelang ihm vor 7.000 Zuschauern mit der Silbermedaille wenigstens der Nachweis, daß er der beste Cross—Radfahrer seines Landes ist.
Thomas Frischknecht, ebenfalls aus der Schweiz, ging als Weltmeister ins Rennen, kam als geschlagener Dritter heraus — und jubelte auch. „Ich hatte vor vier Wochen noch eine asiatische Grippe auszukurieren“, begründete der entthronte Weltmeister seine Freude. Schon im Sommer mußte Frischknecht das Training unterbrechen, weil ihn die Schweizer Armee zum Wehrdienst rief — in die Fahrradkompanie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen