: Ost-Strom hätte West-Berlin retten können
■ Isolationsfehler an Hilfskabel soll Blackout ausgelöst haben/ Politiker streiten über Konsequenzen/ CDU, Bewag und Senat rufen nach Stromtrasse/ SPD und AL geben Bewag die Schuld/ Spandauer Baustadtrat: »Blackout paßt der Bewag ins Konzept«
Berlin. Einen Tag nach dem dreistündigen Stromausfall im Süden der Stadt ist gestern ein heftiger Streit darüber entbrannt, wer die Verantwortung für den Blackout trägt. Die Bewag hatte den mutmaßlichen Auslöser im Tiergartener Umspannwerk Mitte gestern noch nicht lokalisiert. Vermutlich ein »Isolationsfehler« an einem Hilfskabel habe einen »Erdschluß« ausgelöst, der wiederum »Mehrfachfehler in der Steuerungs- und Schutzelektronik« der 380-Kilovolt-Leitung nach sich gezogen habe, sagte Bewag-Sprecher Thomas Möller am Abend. In der Folge seien drei Trafos ausgefallen. Der Spannungsabfall im Südnetz habe dann dazu geführt, daß die Stromversorgung automatisch abgeschaltet wurde.
CDU, Bewag und Wirtschaftsstaatssekretär Hans Kremendahl (SPD) nutzten die Stunde, um einen raschen Bau der Stromtrasse durch Spandau zu fordern. Sie soll das Westberliner Inselnetz an den westeuropäischen Verbund ankoppeln. »Hätten wir die Stromtrasse, hätten wir das Netz rascher wieder aufbauen können«, hieß es bei der Bewag.
Die 380-Kilovolt-Leitung soll Ende 1994 fertig werden. Im September hatte jedoch eine Klage des Umweltverbands BUND für einen Baustopp gesorgt. Was jetzt noch fehle, so Kremendahl, sei die nötige Befreiung nach der Landschaftsschutzverordnung durch den Bezirk Spandau. Damit rief er prompten Widerspruch bei Spandaus Baustadtrat Klaus Jungclaus (ebenfalls SPD) hervor. »Kremendahls Äußerungen sind ausgesprochen dumm und lassen jegliche Sach- und Fachkenntnis vermissen«, schimpfte der Baustadtrat. Schon am 14. Februar sei »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit« mit einer »positiven Entscheidung« zu rechnen.
Während CDU-Fraktionsgeschäftsführer Volker Liepelt den Stromausfall flugs zur »rot-grünen Erblast« erklärte, gaben die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Grüne den Schwarzen Peter an die Bewag weiter. Die Stromversorgungsgesellschaft habe die Risiken selbst »heraufbeschworen«, sagte der SPD- Abgeordnete Wolfgang Behrendt. Nur weil die Bewag sich auf eine zentrale 380-Kilovolt-Leitung verlasse, habe der Kurzschluß an der zentralen Kopplung im Umspannwerk Mitte einen Stromausfall von diesem Ausmaß auslösen können. Die Bewag könne solche Blackouts am ehesten vermeiden, wenn sie das Westberliner Inselnetz an vielen Stellen mit dem Umland verknüpfe.
Der Stromausfall von Mittwoch hätte unter Umständen auch mit Hilfe von Strom aus dem Ostteil vermieden werden können, räumte Bewag- Sprecher Wolfgang Zetschke gestern ein. Die Frequenz im Ostnetz, das immer noch zum RGW-Verbund gehört, sei zur Zeit für einen Zusammenschluß mit dem Westnetz zwar noch nicht stabil genug. »Unter bestimmten Umständen« und mit einer entsprechenden Leitung sei es aber auch heute schon möglich, Oststrom in das Westberliner Netz einzuspeisen. Nach seinen Angaben beginnen die Bewag und ihre Ostberliner Tochtergesellschaft Ebag im März mit dem Bau einer Notleitung vom Tiergartener Umspannwerk zum Umspannwerk Jägerstraße in Berlin- Mitte. Über die Leitung, die im Oktober fertiggestellt werden soll, könnte im Notfall eine Leistung von 300 Megawatt in das Westberliner Netz eingespeist werden. Exakt diese Leistung hatte nach dem Kurzschluß im Südnetz gefehlt.
Sogar Spekulationen machten die Runde, daß die Bewag selbst den Blackout inszeniert haben könnte, um die Genehmigung für die Stromtrasse rascher zu bekommen. »Der Stromausfall paßt der Bewag sehr gut ins Konzept«, meinte Jungclaus. »Das war Gottes Hand, wie bei Maradona«, ergänzte Hartwig Berger (Bündnis 90/Grüne) — und spielte damit auf ein Tor an, bei dem der argentinische Ballkünstler mit der eigenen Hand nachgeholfen hatte. hmt
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