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Nackte Männer braucht das Land

■ Aktportraits von Udo Hesse im Schwulencafé »Anderes Ufer« in Schöneberg

Zwischen baumelnden Schwänzen und blondgelockten Venushügeln Milchkaffee schlürfen und Sahnetörtchen naschen, so in der Art muß es im Paradies zugehen. Im »Anderen Ufer« sitzen bieder wirkende Männer mittleren Alters um die Cafétische, natürlich angemessen bekleidet und nur mit Kennerblick als schwul identifizierbar. Etwas verloren steuere ich auf einen freien Platz an einem der kleinen Marmortische zu — ich bin hier die einzige Frau. Die nackten Männer gibt's nur in zweidimensionaler Form, als Fotoserie an der Wand. Es sind auch einige Frauenbilder dazwischen — schließlich ist das »Andere Ufer« auch für Lesben da.

Obwohl das Kabelfernsehen den Niedergang der Sexwelle bremste und Softpornos mittlerweile zum Abendprogramm der aufgeklärten deutschen Familie gehören, blieb im Grunde alles beim Alten. Brüste, Titten, Mösen, nackte Frauen noch und nöcher. Gelegentlich in die Handlung eingreifende Männer halten sich streng an das Motto: ein schöner Rücken kann auch Entzücken. Nun ja, schöne Männerrücken sind eher selten — im »Anderen Ufer« können wir diese unbekannten Wesen also endlich von vorne bewundern. Wobei der Fotograf an heterosexuelle Damen mit voyeuristischem Nachholebedarf wohl zu allerletzt gedacht hat.

Zugegeben — den Adonis ohne Feigenblatt auf der Titelseite einer Illustrierten gibt es nicht. Offensichtlich wirken Schwänze nicht stimulierend auf das Kaufverhalten, auch nicht bei Frauen. Aber so ganz neu ist der männliche Akt auch wieder nicht. Ich möchte an dieser Stelle lediglich auf die Urväter unserer abendländischen Kultur, die alten Griechen verweisen.

Was die nackten Jungs vom »Anderen Ufer« betrifft: provozierend sind diese Bilder bestenfalls für die Beschäftigten der Textilbranche. Nun mag Provokation nicht das vordringliche Anliegen des Fotografen gewesen sein, schon gar nicht in einem Schwulencafé. Trotzdem fehlt mir in den Bildern eine Aussage, die über pure Ästhetik hinausgeht.

Da stehen, hocken, knien die Herren und Damen vor schnödem weißen Hintergrund. Sie wirken natürlich und unprätentiös, womit sie sich in angenehmer Weise von Playboy und Konsorten abheben. Sie sehen gut aus, ohne an Marlboro und Zahnpastawerbung zu erinnern. Zwei hinreißende Schwarze und ein frischerblühter Jüngling mit blonder Lockenpracht gemahnen mich mit Wehmut, daß viele schöne Männer schwul sind. Aber letztendlich tut sich der männliche Körper schwerer in der ästhetischen Präsentation als weibliche Kurven. Das männliche Genital durchbricht, von der Frontalansicht mal abgesehen, die Harmonie der Körperlinien. Da müht man sich in ungelenke Posen, beim Sitzenden mit den angezogenen Beinen lugt die Eichel neckisch unterm Schenkel hervor und wirkt irgendwie deplaziert.

Manch Schwuler wird sich angesichts solch weiblich- hetero-sexuellen Unverstands männlicher Schönheit gegenüber die Haare raufen. Fragt sich, wieso Frauen überhaupt mit Männern ins Bett gehen. »Liebe macht blind« wollte ich schon sagen, um mich sogleich der Lüge zu zichtigen: ich find sie schön, die nackten Jungs. Bloß beim Kaffeetrinken können sie meinetwegen ihre Hosen anbehalten. Jantje Hannover

Die Ausstellung Aktportraits ist im Café »Anderes Ufer«, Hauptstraße157, noch bis zum 30.3. täglich ab 11Uhr zu sehen.

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