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Von Treuhand und „True-Lite“

„Zwielicht“, West 3, Samstag 17.00 Uhr und am 13.2. in N3, 23.40 Uhr  ■ Von Helmut Höge

Der Dokumentarfilmer Klaus Stanjek bearbeitet ökologische Themen. Zu seinem neuesten Film über das Kunstlicht gibt es auch ein Buch (im Raben-Verlag). Aus der Lampenbranche kam der Hinweis, dieses sei nicht seriös genug, der Autor sei quasi von einer Firma gekauft worden, die amerikanische Vollspektrum-Leuchtstoffröhren namens „True-Lite“ verkauft. Und nun ein Werbefilm dazu? Es stimmt, Stanjek sieht in dieser vom Lichtbiologen John Ott entwickelten Lampe eine Alternative zu den herkömmlichen schlechten, weil ungesunden Kunstlichtquellen.

Ausführlich kommt in seinem Film der Augenarzt Fritz Hollwich zu Wort, der die Wirkung des Lichts auf Stoffwechselprozesse erforscht hat. Wie Nieper in der Katalysatordebatte, Velikovsky in der Ägyptologie, Mirow bei den Elektrokartellen, Schauberger in der Aquaphilie und Binninger bei der (unsterblichen) Glühbirne ist beziehungsweise war auch Hollwich ein vorbildlicher Querulant. Und wie armselig wirken neben ihm die zwei — ebenfalls von Stanjek interviewten — Beleuchtungsfunktionäre von Siemens/Osram („durch Ausschalten entstehen gefährliche Tarnzonen“). Dieser Ekelelektrokonzern, der schon Mirow und Binninger das Leben schwer machte, hat nichts unversucht gelassen, um die Vollspektrumlampe von Ott/Hollwich vom Markt zu drängen — um dann schließlich selbst eine schlechte Kopie („Biolux“) zu entwickeln, deren Glas keine UV-B- Lichtanteile durchläßt. PR-Leuchten publizierten platte Pamphlete in denen sie die neue „Qualität“ dieses „Lebensmittels Licht“, das mittlerweile in Krankenhäusern, U-Booten, Aquarien und Terrarien verabreicht wird, bestritten.

John Otts vergleichende Untersuchungen in US-Schulklassen, deren Räume er mit dem Öko-Licht ausleuchtete, ergaben, daß Vollspektrum-Kinder gesünder und intelligenter gedeihen. Schon gibt es in München einen grün-wählenden Kaninchenzüchter, dessen Rammler wegen der nahen Normalstraßenlampe (von Osram) nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Sowie Lichttherapeuten, die ihren Patienten — gegen Selbstmordgedanken — das Sitzen vor einer True-Lite-Lichtwand verordnen.

Sollte ich vielleicht meine gelegentlichen Mordgelüste gegenüber elf Berliner Unternehmern auch mit täglichen Vollspektralduschen kurieren? Oder ist das alles nur New- Age-Propaganda? Diskursiv und multimedial — wissenschaftlich gar (mit Streßhormontabellen, Hypophysenaktivitätsmessungen und allem Schnickschnack)? Und Siemens/Osram hält bloß dagegen — mit gesundem, einfältigem Konservativismus? Kurz, mit allem was zu einem gemütlichen Wettbewerb dazugehört, einschließlich Größenwahn und Nichtigkeitsgefühlen? Ich habe das Ungleichgewicht der Klassen dabei nicht vergessen. Aber jetzt kommt eventuell solidarische Unterstützung im Kampf um das bessere Licht: Stanjeks Film beginnt – wie sollte es auch anders sein — mit einem Sonnenuntergang und endet mit einem -aufgang, und dazwischen ist mir ein arbeitsloser, äußerst lichtkritischer Elektriker aus New York besonders in Erinnerung geblieben. Die Zürcher Vermögensführungsgesellschaft Tabfin AG verspricht in ihrem Konzept für den Kauf des Berliner Glühlampenwerks Narva, dort zukünftig Vollspektrumlampen zu produzieren, die „Narva Light“ heißen sollen. Kein Scheiß! Wie ebensowenig, daß die Zeitschrift 'Natur‘ gerade mit einem Farbbericht über „True-Lite“ aufmachte. Der Gegner ist eigentlich schon so gut wie geschlagen, und auch die Treuhand „hat sich für den steinigen Weg (der Erhaltung Narvas) entschieden“, wie Anstaltskommunikator Wolf Schöde es ausdrückte.

Der Sozialismus ist gar nicht zerschlagen! Er ist bloß zerstreut — bis hin zu Amphibienfreunden und schlafgestörten SAD (Seasonal Affected Disorder). Die Front geht quer durch die Konzerne selbst. Man schaue sich nur im Siemens-Direktorat für strategische Planung um: Die Hälfte der Mitarbeiter hat „True-Lites“ im Hobbykeller. „Immer mehr Anwender sanieren ihre Beleuchtungsanlagen“, verteidigen sie sich gespreizt. Die Betonköpfe der Finanzabteilungen rasten reihenweise aus. Man nennt sie „Lightbuster“ im Haus. Aber sie haben keine Chance: Der Kunde ist König.

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