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Keine Perspektive für Bauern

Die Talfahrt der Landwirtschaft setzt sich fort/ Bauernopposition ABL kritisiert Kiechles Agrarbericht  ■ Von Hannes Koch

Berlin (taz) — Herbe Kritik muß Landwirtschaftminister Ignaz Kiechle für seinen Agrarbericht 1992 einstecken. „Die Konzentration in der Landwirtschaft hat sich weiter verschärft; immer mehr Betriebe müssen aufgeben“, sagte der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft“ (ABL), Josef Jacobi. Das ministeriale Zahlenwerk weist für 1990/91 einen dramatischen Rückgang der bäuerlichen Gewinne um 16,1 Prozent aus. Während Kiechle aber für dieses Jahr mit einer Erholung rechnet, wird sich nach Ansicht der ABL die Talfahrt weiter fortsetzen.

5,5 Prozent der westdeutschen Bauern mußten ihre Höfe im Jahr 1990/91 aufgeben. Der Rückgang ist damit doppelt so groß wie im Jahresdurchschnitt seit 1981. Insgesamt ist die Zahl der Bauernhöfe in alten Bundesländern während der vergangenen zehn Jahre um knapp 200.000 auf 595.000 gesunken. Im letzten Jahr stellten etwa sieben Prozent der kleinen Höfe mit unter 20 Hektar Land ihre Bewirtschaftung ein. Bei den Betrieben über 100 Hektar war dagegen ein Zuwachs von fast zehn Prozent zu verzeichnen.

Hinter dem durchschnittlichen Gewinnrückgang um 16,1 Prozent verbergen sich starke regionale Unterschiede. In Schleswig-Holstein nahmen die Einnahmeausfälle mit durchschnittlich 26 Prozent geradezu dramatische Formen an, während Rheinland-Pfalz mit einem Minus von 11 Prozent noch vergleichsweise gut davonkam. Diese regionale Verteilung ist begründete in der unterschiedlichen Produktionsstruktur: Im Norden sitzen zum Beispiel die großen Fleischproduktionsbetriebe, die von dem Preisverfall bei Rind- und Schweinefleisch besonders gebeutelt waren. Trotzdem verkraften die kapitalintensiveren Großbetriebe die Einnahmeausfälle besser als kleine Höfe.

Kiechle hatte bei der Präsentation des Agrarberichts 1992 betont, daß die landwirtschaftlichen Einkommen auch in Zukunft im wesentlichen auf dem freien Markt erwirtschaftet würden. Aus Kiechles Statistiken geht jedoch hervor, daß 39 Prozent des Einkommens kleiner Höfe inzwischen aus staatlichen Zuschüssen stammten. Für die Agrarwirtschaft blätterten Bundesregierung und EG-Kommission jeweils 15 Milliarden D-Mark an Subventionen hin.

Wenn es auch im vergangenen Jahr düster ausgesehen habe, so werde es 1992 wieder aufwärts gehen, glaubt Minister Kiechle. Diese Prognose hält selbst der Deutsche Bauernverband (DBV) für zu optimistisch. In weiten Bereichen würden die Preise auf niedrigem Niveau stagnieren, so die Bauernlobby. Nach Ansicht der Bauernopposition ABL wird sich das Bauernsterben dramatisch fortsetzen. Durch die EG-Politik der Preissenkung und Flächenstillegung werde vielen Landwirten jede Zukunftsperspektive genommen.

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