INTERVIEW: „Mein Führungsoffizier war Wolf Biermann“
■ Der Journalist und Schrifsteller Günter Wallraff zu den Unterstellungen der ostdeutschen 'Bild‘-Zeitung-Konkurrenz 'Super‘, er habe dem Ministerium für Staatssicherheit zugearbeitet
taz: Herr Wallraff, sind Sie jemals von Stasi-Leuten angesprochen worden?
Günter Wallraff: Das hat es einige Male gegeben. Zum ersten Mal bin ich angesprochen worden, als ich nach Veröffentlichung meiner Industriereportagen mit Heinrich Böll zusammen auf der Leipziger Buchmesse war. Das hab' ich sofort dem Heinrich Böll erzählt, und der hat dann Krach geschlagen. Daraufhin hat sich die DDR-Seite vor unserer Ausreise entschuldigt. Später gab es einen sehr alerten, etwas schleimigen Typ — das könnte dieser „Swarkowski“ gewesen sein —, der an meinem Wohnsitz in Steinheim auftauchte und mich unter einem Vorwand zum Essen einlud. Dabei rückte er dann mit seinem Stasi-Hintergrund raus. Danach habe ich mich über das DDR-Kultusministerium über diese plumpe Annäherung beschwert.
Haben Sie Stasi-Archive benutzt?
Ich habe NS-Archive und das Dokumentationszentrum in Berlin in einigen Fällen genutzt. Der Kontakt kam über einen befreundeten DDR-Journalisten zustande. Über ihn habe ich bestimmte Sachen aus DDR-Archiven bekommen. Dabei handelte es sich z.B. um Informationen über Nazigrößen und ABC-Kriegsforschung. Aus solchen Archiven haben sich viele bedient, der 'Spiegel‘ genauso wie der 'Stern‘ oder 'Panorama‘.
Sind Sie — wie behauptet — jemals ohne Paßkontrolle in die DDR eingereist?
Nein, hier in meinem Paß können Sie die jeweiligen Stempel der DDR-Grenzer sehen.
Haben Sie jemals etwas an Ihre DDR-Gesprächspartner geliefert?
Nie, weder Schriftliches noch Mündliches.
Auch keine Einschätzungen linker Politik, keine — wie es heißt — „Strategiepapiere“?
Dummes Zeug. Ich hätte das auch überhaupt nicht gekonnt. Ich bin Einzelkämpfer. Ich war nie in linken Organisationen. Das ist absoluter Quatsch.
'Super‘ behauptet weiter, Sie hätten sich von der Stasi vor Ihrer 'Bild‘-Tätigkeit sogar ausbilden lassen...
Völliger Irrsinn. Mein „Führungsoffizier“ in Sachen 'Bild‘ war Wolf Biermann. Er war einer der ganz wenigen in meinem engsten Freundeskreis, mit denen ich die 'Bild‘-Geschichte besprochen habe. Nach der Biermann-Ausbürgerung war ich jahrelang überhaupt nicht mehr in der DDR. Es gab danach lange Zeit überhaupt keine Kontakte mehr in die DDR. Auch mein früherer Freund bekam nun Schwierigkeiten. Wer mit mir nach der Biermann-Ausbürgerung befreundet war, dem begegnete man in der DDR mit Mißtrauen. Seitdem war ich Feindperson, Persona non grata. Ich bin erst wieder nach der Veröffentlichung von Ganz Unten, zu Zeiten von Glasnost, in die DDR gereist. Da gab es eine Lesereise, bei der ich im übrigen immer zur Freude des Publikums und zum Ärger der Funktionäre die Ausbürgerung von Biermann angesprochen habe. Ich habe auch nie, wie von Mertes behauptet, einen Staatspreis der DDR oder der UdSSR bekommen.
Sie haben ein ruhiges Gewissen?
Allerdings. Darum kann ich auch sehr gut schlafen, und deshalb sehe ich auch gar keine Veranlassung, meinen Alltag hier zu unterbrechen. Wir freuen uns auf die Geburt unseres Kindes.
Was werden Sie juristisch unternehmen?
Ich werde gegen 'Super‘ auf Gegendarstellung, Unterlassung, Widerruf und Schadensersatz klagen. Im Moment warte ich auf einen Anruf der Gauck-Behörde, um mit meinem Kollegen und Freund Jürgen Fuchs Einblick in meine Akte nehmen zu können. Interview: Walter Jakobs
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