: Verrat an der Reagan-Revolution
Der rechtskonservative Pat Buchanan fordert US-Präsident George Bush bei den Vorwahlen in New Hampshire heraus/ Im republikanischen Lager zeigen sich erste Brüche ■ Aus Washington Rolf Paasch
Eigentlich hatte sich Präsident George Bush seine Kampagne für die ersten Vorwahlen in New Hampshire ganz anders vorgestellt. Als Amtsinhaber wollte er sich nach seinem kurzen Abstecher in den rezessionsgeplagten Neuenglandstaat Mitte Januar im Weißen Haus genüßlich in seinen Sessel zurücklehnen und sich im Fernsehen anschauen, wie Gattin Barbara mit seinem Unterling Dan Qualye im verschneiten Nordosten für ihn die republikanische Wählerwerbung betreiben würden.
Doch die unerwartete Kandidatur seines rechts-konservativen Rivalen Pat Buchanan und die scheinbare Bereitschaft der wütenden Neuengländer, statt ihrem Präsidenten diesem selbsternannten Konkurrenten ihre Proteststimme zu geben, hat die Belegschaft im Weißen Haus nun gehörig aufgeschreckt. Rasch wurden des Präsidenten Reisepläne geändert. Seit Mittwoch muß auch George Bush durch die malerischen Dörfchen im so freiheitsliebenden New Hampshire touren. Denn einen mißglückten Auftakt des vor wenigen Monaten noch als Spaziergang angesehenen Vorwahlkampfes kann sich der Präsident nicht leisten.
Zwar glaubt niemand ernsthaft, daß Pat Buchanan, der 53jährige Redenschreiber Nixons und Kommunikationsdirektor Reagans, George Bush das Amt des republikanischen Präsidentschaftskandidaten streitig machen wird. Doch schon mit einem Ergebnis von 35 bis 40 Prozent der Stimmen in New Hampshire, könnte Buchanan dem Amtsinhaber im Weißen Haus eine peinliche Schlappe bereiten — und mit seinem isolationistisch-chauvinistischen sowie antistaatlichen Wahlprogramm zu einem weiteren Rechtsruck zwingen; was Bush wiederum im Rennen gegen einen fähigen demokratischen Kandidaten — falls es einen solchen denn je geben sollte — schwächen würde.
Schon jetzt hat die teilweise reaktionäre Programmatik Buchanans in der Rhetorik des Präsidenten ihre Spuren hinterlassen. Die in seiner Rede zur Lage der Nation verkündete Senkung der Kapitalertragssteuer, die Aufstockung des Etats für die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) und das Gerede über einen Rückzug des Staates, all dies sind Zugeständnisse Bushs an die Rechten in der Partei, die mit Buchanan flirten.
Der ehemalige TV-Kommentator und Talkshow-Gast Buchanan hat George Bush dabei zwei Dinge voraus: Er ist eloquent und seinen Prinzipien treu. Dem Präsidenten haftet dagegen gerade in New Hampshire der Ruf eines Opportunisten an. Es war 1988 in New Hampshire, daß der damalige Kandidat für das Präsidentenamt George Bush dem Volk versprach, keine Steuererhöhungen zuzulassen. Heute zieht Buchanan durch die pittoreske Szene des Granitstaates und erinnert das Wählervolk an den Bruch dieses Steuerschwurs und Bushs Verrat der Reagan-Revolution.
Ob dies zusammen mit der Verdreifachung der Arbeitslosigkeit in New Hampshire dazu ausreichen wird, alle Stimmen der mit Bush unzufriedenen Republikaner auf sich zu vereinigen, ist allerdings fraglich. Denn bei näherem Hinsehen entpuppt sich Buchanan keineswegs als Reinkarnation seiner Helden Richard Nixon oder Ronald Reagan, sondern als Anhänger eines älteren und weniger erfolgreicheren Konservativismus. Mit seinem Slogan des „America First“ erinnert der katholische Buchanan eher an die republikanischen Isolationisten der dreißiger Jahre oder den Kleinstadt-Konservativismus Robert Tafts, der sich mit seiner Gegnerschaft zu Marshallplan und Nato 1948 und 1952 vergeblich um das Amt des republikanischen Präsidentschaftskandidaten bewarb.
Heute dagegen haben selbst klammheimliche Chauvinisten mit Buchanans fremdenfeindlicher Einwanderungspolitik ihre Schwierigkeiten. Auch die Frage, ob Buchanan Antisemit ist, füllt immer noch die Kommentarspalten. Und wo er dieses Amerika dann hinführen wird, wenn er es erst einmal „zu sich heimgeholt“ hat, darauf scheint der Protektionist Buchanan ebensowenig eine Antwort wissen, wie der Internationalist George Bush.
Am Ende wird Buchanan gegen George Bush als republikanischen Präsidentschaftsbewerber keine Chance haben. Seine Herausforderung ist allerdings das erste Anzeichen dafür, daß sich die konservative Allianz des Kalten Krieges und die republikanische Koalition der Reagan-Jahre in der Auflösung befindet. Die Frage in New Hampshire und anderswo ist nur, ob und wann die Demokraten dies auszunutzen wissen.
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