: Kultureller Gemüsegarten
■ Zur erneuten Einstellung der Kunstzeitschrift 'Pan‘
Um die Wiederbelebung des scheintoten Hirtengottes vor fast zwölf Jahren rankt sich eine Legende: An einem Winterabend im Februar 1980, so berichtet die offizielle Mär aus der Pressestelle des Offenburger Verlagshauses Burda, soll sich Senator Franz Burda so sehr über die schlechten Nachrichten im Fernsehen geärgert haben, daß der damals 77jährige am nächsten Morgen beschloß, aus Wut eine Zeitschrift zu gründen. Ernst Ludwig Kirchners Liegender blauer Akt mit Strohhut zierte den Titel der ersten Ausgabe des 'Pan‘, Burdas publizistischem Schlachtschiff für ein besseres Weltbild, das im Mai 1980 erstmalig die Kioske der Republik anlief. Benannt nach dem flötespielenden griechischen Hirtengott, war der Untertitel der „Zeitschrift für Kunst und Kultur“ zugleich politisches Programm des konservativen Pressezaren: „Unsere herrliche Welt“ sollte abgebildet und propagiert werden, verkündeten zartblaue Lettern den Käuferinnen und Käufern, denen Burda in seinem ersten Vorwort suggerierte: „Je verlorener und bedrängter sich der Mensch in seiner rauhen Umwelt fühlt, desto größer seine Sehnsucht nach den edlen, schönen Dingen des Lebens und Erlebens, nach Wärme und Freude.“
An ihre großen Vorblder reichte die Hochglanzzeitschrift in ihrem Bemühen allerdings nie heran. Schon 1895 hatten der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe und der Dichter Richard Dehmel die erste 'Pan‘ in Berlin gegründet. Aufwendig gestaltet, verstanden sie ihr Blatt im reaktionären deutschen Kaiserreich als Sprachrohr der Avantgarde und kämpften mit ihm bis 1900 für die Akteptanz der damals modernen Kunst. 1910 ließ der Kulturphilosoph und Verleger Bruno Cassirer den zehn Jahre ruhenden 'Pan‘ in seinem Verlag wieder auferstehen. Wie seine Vorgänger auch er mit prominenten AutorInnen, unter ihnen Theaterpapst Alfred Kerr, mit Originalgrafik und limitierten Luxusausgaben für die Moderne. Gerade die zu jener Zeit noch weitgehend unbekannten französischen Impressionisten wurden damals von verschiedenen Museumsleuten als „undeutsch“ geradezu bekämpft. Als Cassirer im literarischen Teil des 'Pan‘ Auszüge aus FlaubertsÄgyptischem Tagebuch abdruckte, wurde die Zeitung wegen angeblicher Verbreitung von Pornographie sogar zeitweise verboten.
Für den biederen 'Pan‘ aus Offenburg bestand diese Gefahr auch nach dem Tod des Senators Burda im Jahr 1986 nicht. Verlegersohn Hubert machte aus der Heile-Welt-Postille für kuntsbeflissene Bildungsbürger einen kulturellen Gemischtwarenladen: ein wenig zeitgenössische Kunst hier, ein wenig klassische Moderne dort und zwischen allem immer wieder lange hofberichterstatterische Farbstrecken über Konzerne und Firmen, die sich im Kultursponsoring finanziell engagierten — schließlich mußten die BlattmacherInnen auch ans eigene Anzeigenaufkommen denken. In kulturpolitischen Fragen, wie der Diskussion um die Nazikunst oder die Rückgabe der im Kriege von, wie in Deutschland, geraubten Kulturgütern vertrat 'Pan‘ meist ein konsequent unpolitisches „Sowohl als auch“.
Das Konzept schlug fehl: Im kommenden Juli wird die letzte Ausgabe von 'Pan‘ erscheinen. Schon ab März gibt es die Zeitschrift am Kiosk nur noch im Doppelpack mit dem Nobelwohnblatt 'Ambiente‘ aus gleichem Hause für zusammen zehn Mark. „Das Anzeigenaufkommen und die zurückgegangenen Verkaufszahlen waren für diese Verlagsentscheidung bei Burda ausschlaggebend“, begründet 'Ambiente‘-Anzeigenchefin Brigitte Veska den offiziell noch nicht bekanntgegebenen Schritt. Nur im Dezember soll noch einmal eine endgültig letzte eigenständige Ausgabe erscheinen, dazwischen und danach enthält 'Ambiente‘ einen neuen zehn bis zwanzig Seiten umfassenden Kulturteil. Die 'Pan‘-Redaktion bleibt trotzdem bestehen. Drei- bis viermal jährlich soll sie ab Januar 1993 Specials zu herausragenden kulturellen Ereignissen wie documenta oder Expo erarbeiten.
Traurig stimmt das neuerliche Ende von 'Pan‘ höchstens aus einem anderen Grund: Je weniger populäre Kunstzeitschriften bei allen inhaltlichen Mängeln an den Kiosken liegen, desto größer wird die Möglichkeit, daß die Auseinandersetzung mit Kunst wieder nur innerhalb einer bildungsbürgerlichen Elite sattfindet. Hier wäre ausnahmsweise Quantität so wichtig wie Qualität. Stefan Koldehoff
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