KOMMENTAR: De Klerks „Verrat“
■ Die weiße Rechte Südafrikas formiert sich geschlossen zum „dritten Befreiungskrieg“
Wird er die Weißen noch einmal um Erlaubnis bitten? Wenn ja, wann kann er sich dies erlauben? Das sind seit Monaten schon die kniffeligsten Fragen an den Reformmanager de Klerk. CODESA, die Konferenz für ein demokratisches Südafrika, ging gut voran, doch gleichzeitig nahm das Grummeln und Murren bei den Weißen beständig zu. Umfragen zeigten, daß ihr Optimismus ständig absackte. Nur 15 Prozent, sagte die letzte Analyse, versprechen sich Positives vom „neuen Südafrika“. In Potchefstroom hat die rechtsradikale „Konservative Partei“ den größten Erfolg seit ihrer Abspaltung von den Nationalen Anfang der 80er eingefahren. Die Rechten boykottieren stur alle Reformversuche, propagieren letzlich den „dritten Befreiungskrieg“ der Buren. Selbst die klassische Zerstrittenheit der südafrikanischen Rechten — am äußersten Rand sind sie in rund 80 Organisationen zerfranst — spielt plötzlich keine Rolle mehr. De Klerks „Verrat“ eint die Ultras auf eine Weise, die er selbst nicht für möglich gehalten hätte. Jetzt können sie die politische Führung der Weißen beanspruchen.
Eine entscheidende Runde im burischen Bruderzwist zwischen beinharten Apartheid-Befürwortern und liberalen Umdenkern ist in Potchefstroom an die Hardliner gegangen. Ein Schock für de Klerks „Nationale Partei“, die noch ihr Versprechen einlösen muß, vor dem endgültigen Sprung ins neue Südafrika ein letztes Mal den Segen von Whites only einzuholen. Beide weißen Fraktionen haben die Bedeutung der Wahl sehr hoch gehängt. Und doch scheint es fast, als habe de Klerk es darauf angelegt, zu verlieren. Das wirkliche Ringen auf seiner Seite startete erst eine Woche vor der Wahl, als er selbst die Abstimmung zur Schicksalswahl hochredete. Der siegesgewisse Kandidat der Konservativen redete da bereits keck vom „politisches Ereignis des Jahrhunderts“. Politische Beobachter glauben, de Klerk habe damit seine Macht über die Weißen verloren: „Die Rechten werden ihm die Eingeweide herausdrücken.“
Entweder die Nationalen haben sich eine Serie politischer Pannen erlaubt: Eine völlige Fehleinschätzung der Stimmungslage, minimale Anstrengungen vor Ort — die Rechten rückten jedem Haushalt viermal auf die Pelle, de Klerks Mannen waren kaum zu orten. Und das in einer Zeit, wo Wandel, Inflation und eine massive Dürre die Buren in echte Existenzängste stürzen. Zwei Tage vor der Wahl verkündete die Regierung auch noch, sie würde 4.000 Lehrer an weißen Schulen entlassen. Oder sie wollten verlieren und ihr quälendes Referendum nach dem Motto „Je später, desto schlimmer“ schnell erzwingen. Obendrein kann de Klerk dem ANC jetzt sagen: Sorry, Kompromisse sind nicht mehr drin, sonst werde ich von rechts geschlachtet. Doch was geschieht, wenn das Referendum, dem der ANC ohnehin nicht einen Funken Legitimität zubilligt, scheitern sollte? Eine friedliche Lösung für Südafrika wäre dann noch mehr als zweifelhaft. Tim Murphy, Johannesburg
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