: Betriebsräte: Gemeinsam kämpfen
■ Betriebsräte aus Ost-Berlin fordern von Treuhand »Ende des Plattmachens«/ Momper will staatliche Holdings, um Industriestandort Berlin zu sichern/ West-Betriebsräte zur Mitarbeit aufgefordert
Köpenick. Betriebsräte aus 20 Ost- Berliner Betrieben der Metall- und Elektrobranche haben sich zu einer Initiativgruppe zusammengeschlossen. Sie wollen damit verstärkt auf ihre Probleme in der Öffentlichkeit und gegenüber der Treuhand aufmerksam machen. Im Köpenicker Rathaus forderten gestern Vertreter der Initiative von der Treuhand ein »Ende des Plattmachens«. Vorrang vor der Privatisierung müsse die Sanierung von Betrieben haben. Zudem müsse der jetzige Personalstand gesichert werden. »Einen unbegründeten Abbau machen wir nicht mehr mit«, so der Narva-Betriebsratsvorsitzende Michael Müller. Sein Kollege Wolfgang Kibbel vom »Werk für Fernsehelektronik« verlangte von der Treuhand, zukünftig bei Privatisierungsentscheidungen »mit am Tisch zu sitzen«. Zudem müßten alle Mitarbeiter über 50 finanziell so ausgestattet werden, »daß sie auch tatsächlich etwas von der sozialen Marktwirtschaft haben«. Ralf Nitzsche von der IG-Metall wies auf die prekäre Lage in den Bezirken Köpenick und Treptow hin. Statt der offiziellen Arbeitslosenquote von 17,5 Prozent sei derzeit de facto jeder zweite einstmals Beschäftigte ohne Arbeit. 1992 würden in der Elektro- und Metallindustrie beider Bezirke nur noch 25 Prozent arbeiten. Weitere Verschlechterungen erwartet er von den jüngsten Bestimmungen der Bundesanstalt für Arbeit, die Finanzierung von ABM-Programmen zu kürzen. »Arbeits- und Qualifizierungsgesellschaften und ABM- Programme werden dadurch unmöglich gemacht«, so Nizsche.
Unterstützung fanden die Betriebsräte beim SPD-Vorsitzenden Walter Momper. Er rief dazu auf, den Blick auch nach Bonn zu richten. Von der Bundesregierung verlangte er, die Berliner Elektroindustrie und den Maschinenbau auch aus strukturellen Gründen zu erhalten. Um die Exportchancen der Berliner Betriebe in den früheren Ostblock zu sichern, verlangte Momper von der Bundesregierung die Vergabe von Hermes- Krediten. Für einen »vorübergehenden Zeitraum« müßten Betriebe auch in einer staatlichen Holding gehalten werden, um Berlin als Industriestandort zu sichern. Dafür gebe es in der Geschichte der alten Bundesrepublik Vorbilder. In der Stahlkrise an Rhein, Ruhr und Saar habe man damit gute Erfahrungen gemacht.
Die Initiative will auch die West- Berliner Betriebsräte um Unterstützung bitten. Geplant ist eine Fahrt nach Bonn, um die Probleme vor dem Bundestag zur Sprache zu bringen, so Narva-Betriebsrat Müller. sev
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