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Sonnenkosmetik ohne schlechtes Gewissen

■ Der Marketing-Verband der Apotheker führte seine Kombination von „Bio“ und Schönheit vor

„Einmal Sonnenbrand, und 15 Jahre später kommt der Hautkrebs“ — mit dieser Warnung werden derzeit Sonnenanbeter geschockt, die sich die trübste Jahreszeit mit dem Studium von Reiseprospekten erhellen. Für die bundesdeutschen Apotheker haben die Debatten über das Ozonloch und dessen Folgen auf die Gesundheit auch gute Seiten: „Erst in die Apotheke, dann in die Sonne“ lautet ein neuer Werbespruch der Zunft — und die Kassen klingeln.

Am Wochenende nutzte ihr Marketing-Verband, um die BremerInnen in die Stadthalle zu locken und ihnen das Angebot der Hautcremes und der Kosmetik- Industrie ordentlich zu erläutern. Und da es um Gesundheit geht, kann das Verkauzfs-Design auch einmal hint'an stehen: Da erläuterte ein Herr mi Halbglatze für Haarpflege-Mittel oder ein jungendliches Pickelgesicht für die schonende Creme...

Hunderte von Fachkundigen BremerInnen drängten sich auch in die diversen Konferenz-Räume der Stadthalle, als dort Kleingruppen-Beratung und Vorträge zu fachspezifischen Problemen uind Sorgen angeboten wurden. Denn die Aussteller waren ja nicht in erster Linie daran interessiert, ihre Pröbchen an die Frau und an den Mann zu bringen, das unternehmerische Interesse richtete sich auf den Apotheker: Er kann selbst seine Kunden ein we

nig beraten, wenn er die Broschüren über Creme mit und ohne Harnsäuren studiert, als Hilfsinstrument und für schlichte 4.200 Mark zu erwerben gab es auch einen kleinen Computer, der in drei Muniten durch sechsmaliges Abtasten von Haut-Segmenten „die“ angemessene und gute Creme „für SIE“ ganz individuell errechnet — und gleich mit dem Code für die entsprechende Paletta an Präparaten versieht.

„Bräunen ohne Sonnenbrand

will gelernt sein“, ist eine weitere Empfehlung der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker (MGDA), deren zweitägiger „Dermopharmazie-Kongress“ am Sonntag in Bremen zu Ende ging. So finden sich in den Verkaufsregalen der Branche zunehmend Sonnenschutzpräparate verschiedenster Typen. Das Personal soll dem Kunden erklären, warum er einen Cremeroller mit Lichtschutzfaktor 20 benötigt.

Neben bekannten Substanzen

auf chemischer und biologischer Basis zeigten Dermopharmazie- Hersteller in Bremen moderne –Sonnenkarten“, die auf photomechanischem Weg die Lichtstärke am Urlaubsstrand verraten. Wer mit technischer Hilfe einen Sonnenbrand abwehren will, der kann auch auf einen neuartigen Computer zurückgreifen: Im „SunWatch“ werden vor dem Sonnenbad Hauttyp und Lichtschutzfaktor der benutzten Kosmetik eingegeben. Ein Sensor re

gistriert Veränderungen des Sonnenstandes, Bewölkung und Reflexionen. Piepstöne des Gerätes, das wie eine Uhr am Handgelenk getragen wird, empfehlen das „Ende der Sitzung“.

Die Apotheker wollen nach Angaben eines MGDA-Sprechers die „Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Umweltthemen nutzen“. Bei ihrem Werbefeldzug um Käufer für hochwertige Hautpflegemittel mischen die Apother auch Warnungen an die Verbraucher unter. „So kommen Sie mit heiler Haut davon“, verspricht etwa eine Broschüre, nach der bis zum Jahr 2.000 jeder hundertste weißhäutige Erdenbürger an einem bösartigen Hauttumor leiden werde. In der Gewißheit, die „ganze Nation nicht zu Stubenhockern bekehren zu können“, bleibt die Empfehlung, ordentlich Sonnenschutzmittel aufzutragen.

Dabei glänzt nicht unbedingt alles, was „Bio“ heißt, erklären einige Anbieter. Sonnencreme- und Hautpflegemittel auf natürlicher Basis werden von sensiblen Zeitgenossen manchmal eher als unverträglich empfunden und mit Allergieerscheinungen beantwortet als Kunstpräparate. Kritiker halten dagegen, daß auf dem Kosmetikmarkt immer noch einige „bedenkliche Chemie-Produkte“ angeboten werden. Diese gingen mit krebserregenden Substanzen buchstäblich „unter die Haut“. taz/dpa (Hans-Christian Wöste)

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