KOMMENTAR: Berlin ist nicht Legoland
■ Bonn bringt Realitätssinn in Berliner Tunnellandschaft
Nun geht es in der Großen Koalition wieder zu wie auf einem Verschiebebahnhof kurz vor Feierabend. Nötig wäre das nicht gewesen. Bereits im Dezember — die SPD hatte sich gerade erst auf den Autotunnel unter dem Tiergarten festklopfen lassen — veröffentlichte die taz einen ablehnenden Brief des Bundesinnenministers Seiters (CDU), der die »Massierung von Tunnelbauten« im Spreebogen kritisierte. Der Regierende Bürgermeister zeigte sich damals überrascht; reagiert hat er offenbar nicht. Nun wird immer deutlicher, daß in Bonn die Signale längst auf Rot standen, als man hier noch Vollgas gab. Man mag das mit Groll betrachten. Schließlich wird erneut vorgeführt, daß Berlin zwar die baurechtliche Oberhoheit bei solchen Vorhaben besitzt, Bonn aber das Geld: wer zahlt, bestimmt. Deshalb geht es bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung möglicherweise nur noch darum, wie sich der Regierende Bürgermeister ohne Gesichtsverlust in diese Wahrheit fügt.
Aber das Gerangel um das Verkehrskonzept ist mehr als nur ein neues Schurkenstück des bösartigen und kleinmiefigen Personals der rheinischen Residenz. Was an Tunnel kreuz und quer und manchmal mehr zufällig per Bleistiftlinie »konzipiert« wurde — fast meint man, den Planern sei der Verstand vom Fahrtwind der Geschichte weggeblasen worden. In den verschlungenen Röhren drückt sich gleichermaßen die Überlastung der Stadt mit Ansprüchen und die Überlastung der Politiker aus, es allen recht machen zu wollen. Deshalb atmen die Bonner Warntöne auch einen erfrischenden Realitätssinn. Die Berliner müssen sich klarwerden, daß sie nicht alles zugleich bewältigen können; entweder ein möglichst bald funktionierendes Regierungsviertel oder eine Tunnellandschaft im Spreebogen: Bauen ist eben kein Sandkastenspiel und Berlin nicht Legoland. Gerd Nowakowski
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