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DURCHS DRÖHNLANDEklektizistische Maschinenträume

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

Wo die Young Gods angefangen haben, machen inzwischen andere weiter. Nach den Großvätern des harten postmodernen Eklektizismus kommt die zweite Generation in die Stadt. Die Swamp Terrorists sind ebenfalls aus der Schweiz, gehen allerdings bei weitem noch nicht so virtuos mit den überschäumenden Ideen und dem Sampling um. Bei ihnen geht es vielmehr um die reine Kraft, knallharte Gitarrenriffs und einen soliden Techno-Background, der zugunsten einer etwas differenzierteren Rhythmusarbeit auch mal in den Hintergrund tritt. Die Maschinenträume sind ihnen nicht fremd, aber der versuchte Crossover zum Metal noch nicht völlig gelungen.

Am 13.3. um 20.30 Uhr auf der Insel, Alt- Treptow 6

Ein Abend für den Liebhaber von Frauenstimmen. Libidow spielen einen behäbigen, manchmal gar zu pathetischen Pop, der mir persönlich viel zu keyboardlastig ist. Kennwort: pomadig. Zudem tragen sie ihre Professionalität grauenhaft offensichtlich vor sich her. Beware Of The Cat sind da um einiges flotter. Nichts Spektakuläres, aber doch netter Pop. Beides Berliner Bands und nicht unbedingt die großen Hoffnungen für die nächste Zeit.

Am 13.3. um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg, Kopischstraße 7, Kreuzberg

Bei einem Konzert von Billy Bragg kann es schon mal passieren, daß der alte Clash-Gassenhauer Garageland mit den Worten angekündigt wird: »Das nächste werdet ihr jetzt nicht kennen. Aber vielleicht kommt ihr ja mal nach Hause, und eure Eltern halten am Küchentisch Händchen und summen sich dies vor.« Auch ansonsten erzählt Bragg live gerne Geschichtchen, und seine Versuche, den unzweifelhaft großen Songs, die er schreibt, auf Platte ein ansprechenderes poppigeres Gewand zu verleihen, werden immer erfolgreicher. Trotzdem bleibt er vor allem live weiterhin ruppig und großartig — immer noch der Kämpfer, der er stets war. Vielleicht wären viele Dinge in den letzten Jahren nicht so fürchterlich schiefgegangen, wenn es mehr Politiker mit der Herangehensweise von Billy Bragg gegeben hätte. Der Sozialist mit Humor.

Am 13.3. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Ein Berliner Doppelpack. Sowohl Love Sister Hope als auch die Sidewalk Poets frönen der gepflegten Melancholie. Letztere bevorzugen dabei die countrylastigere Variante, Love Sister Hope versuchen sich am Velvet-Underground- Vermächtnis. Die Sidewalk Poets sind eine der dienstältesten Bands Berlins, auch wenn Sänger Frank Schneider ihr einzig konstanter Faktor ist. Vielleicht ein Grund dafür, daß die Meinungen über Herrn Schneider weit auseinandergehen. Die einen nennen ihn charismatisch, die anderen finden ihn in seinen Anstrengungen, die amerikanischen Vorbilder zu erreichen, nur peinlich.

Am 13.3. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Str. 157, Schöneberg

Immer noch ist die westdeutsche Provinz die ernst zu nehmende Alternative zu den Großstädten — musikalisch jedenfalls. In diesem Fall rechnen wir Hannover mal nicht als Großstadt und ernennen Suckspeed zu den möglichen deutschen Prong, auch wenn sich eine Einordnung bei ihnen eigentlich verbietet. Begonnen haben sie als Hardcore-Band, aber inzwischen sind ihre Metal-Elemente — ganz zeitgemäß — in den Vordergrund gerückt. Dabei erreichen sie eine ruhige, lässige Zähigkeit, die für eine deutsche Band ganz außergewöhnlich ist. Die Freiburger White Mans Buffalo sind dagegen etwas hektischer, wobei sie ihren Hardcore mit ungewöhnlichen Südstaatenrockeinflüssen anreichern. »Freiburger« stimmt eigentlich auch nicht, weil das Trio sich aus einem Kanadier, einem Halbitaliener und einem Menschen aus dem Dreiländereck zusammensetzt.

Am 13.3. um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg

Ausnahmsweise eine Band, auf die ihr Name voll zutrifft. Teenage Fanclub sind zuerst einmal Fans, ihre Verehrung gilt vor allem Big Star. Für die Jüngeren unter euch: Big Star waren eine Band in den Siebzigern, die inzwischen als eine der genialsten, wenn nicht die genialste Gitarrenpopband eingestuft wird, aber leider kein Geld damit verdiente — ein Schicksal, das Big Star Mastermind Alex Chilton auch in seinen Solo-Jahren nicht erspart blieb. Während er von Plattenfirmen beschissen wurde, hatten andere mit Coverversionen seiner Songs Hits. So zum Beispiel die Bangles mit September Gurls oder diverse andere mit Bangkok, von den Tausenden Versionen von The Letter ganz zu schweigen. Herr Chilton hielt sich hauptsächlich mit (bar bezahlten) Produzentenjobs über Wasser. Heute reiht sich der Teenage Fanclub in die Reihe seiner innigen Verehrer ein. Wobei die Band durchaus zwei Seiten hat. Neben den hochmelodischen, fast schon romantischen Reverenzen an die erinnerungswürdigen Siebziger hegen sie auch eine große Schwäche für Krach, die ihnen auch schon mal den unvermeidlichen Dinosaur-Jr.-Vergleich einbrachte. Eine Geschichtsstunde, die man nicht schwänzen sollte.

Am 15.3. im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Bands wie Shotgun Rationale sind der kleinste gemeinsame Nenner, wo Punkrock noch Punkrock ist. Sie sind traditionell genug, um die Retros zufriedenzustellen, geschichtsbewußt genug, um die Anhänger von Sixties-Garagenpsychedelia zu locken, und außerdem mit dem einen oder anderen modernen Hardcore-Einfluß versehen, um die Kritiker zu beruhigen. Konsensband eben, Punkrock mit der guten Melodie und ohne das manchmal gar zu nervende Geknüppel. Dazu verfügen sie über Verbindungen, die den Shotgun-Vorsitzenden Sonny Vincent zum Ehrenmann machen: persönliche Bekanntschaft mit Bob Mould, Gitarre gespielt bei und produziert worden von Moe Tucker, Cheetah Chrome von den Dead Boys als Gastmusiker. Let the good times roll. Die Alabama Kids sind dagegen nur Hollands beste Ami-Band, aber das ist ja auch schon was. Wie anno dunnemals Lynyrd Skynyrd spielen sie mit drei Gitarren, holen aber im Gegensatz zu diesen wirklichen Lärm heraus. Dinosaur Jr. ist ihr erklärter größter Einfluß, aber auch Neil Young oder die Wipers werden gern erwähnt.

Am 17.3. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6

Der gute Southside Johnny machte mal einen satten, whiskeygetränkten Rhythm'n'Blues. Auf seiner letzten Platte Better Days erinnern nur noch die Bläser an die glorreichen Zeiten. Schuld daran ist vor allem Produzent Steve van Zandt, der ehemalige Gitarrist der E-Street-Band. Er sorgte dafür, daß sich Johnny nun wie eine Jägerzaun-Version von Bruce Springsteen anhört. Van Zandt schrieb außerdem fast alle Songs der Platte, ein Springsteen-Cover findet sich auch noch. Wer also den frühen Bruce Springsteen mag, ist hiermit bedient, aber Southside Johnny ist leider nicht mehr er selbst.

Am 18.3. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler

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