Rot-grün für Volksentscheid

■ Neue Vefassung für Niedersachsen sieht mehr Bürgerbeteiligung vor

SPD und Grüne wollen die Bürger stärker an politischen Entscheidungen beteiligen. Dieses sieht der am Freitag vorgelegte Entwurf für eine Niedersächsische Verfassung vor. Durch den Artikel 36 kann zum Beispiel ein Gesetz mit einem Volksentscheid durchgesetzt werden, erläuterte der SPD-Abgeordnete Peter Rabe in Hannover. In dem Entwurf werden der Schutz der Natur und das allerdings nicht einklagbare Recht auf Arbeit und Wohnraum als Staatsziele verankert. Weiter eröffnet der Verfassungsentwurf die Möglichkeit der vorübergehenden Bevorzugung von Frauen zum Ausgleich bestehender Ungleichheit.

Mit Artikel 36 zum Volksentscheid

Eine neue Niedersächsische Verfassung ist nötig, weil die derzeitige „vorläufige Verfassung“ ein Jahr nach Inkrafttreten einer „Verfassung für das deutsche Volk“ ungültig wird. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Thea Dückert, meinte, durch die neue Verfassung könnten „Bürger jetzt richtig mitmischen“. Schon mit 30.000 Unterschriften einer Bürgerinitiative könne der Landtag gezwungen werden, bestimmte Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Falls die Abgeordneten innerhalb eines halben Jahres dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, kann dem Entwurf zufolge die Initiative mit Zustimmung des zu schaffenden Landesverfassungsgerichts und mindestens 100.000 Wählerstimmen ein Volksbegehren durchsetzen. Anschließend können bei einem Volksentscheid die Bürger über das Gesetz abstimmen.

Durch die Staatsziele werde ein „politischer Auftrag“ festgeschrieben, erklärte Dückert. Allerdings könne das Recht auf Arbeit und Wohnraum nicht eingeklagt werden. Dagegen solle mit der Verpflichtung zum Schutz der Umwelt auch das Klagerecht „anerkannter“ Umweltverbände geschaffen werden. Die Grundrechte schreiben unter anderem die Auskunftspflicht über personenbezogene Daten fest, abgesehen von „begründeten“ gesetzlichen Ausnahmen. Außerdem ermöglichen sie ein kommunales Ausländerwahlrecht. Ergänzend zu den Artikeln des Grundgesetzes sollen in Niedersachen keine Menschen aufgrund ihrer „sexuellen Identität“ benachteiligt werden dürfen.

Mit dem Verfassungsentwurf soll die Rolle der Opposition im Landtag gestärkt und Regierungsarbeit durchsichtiger gemacht werden. SPD und Grüne treten dafür ein, die Legislaturperiode von derzeit

Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern

vier auf fünf Jahr zu verlängern. Den Reformationstag wollen beide Parteien zum gesetzlichen Feiertag erklären. Um die Niedersächsische Verfassung aus dem Landtagswahlkampf 1994 herauszuhalten, sollten die Beratungen bis zum Jahresende abgeschlossen werden, meinte Dückert. Zur Annahme einer endgültigen Niedersächsischen Verfassung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag nötig.

Im ebenfalls am Freitag tagenden Verfassungsausschuß lehnten Vertreter der CDU den Entwurf weitgehend ab. Nach Ansicht des CDU-Abgeordneten Hartmut Möllring enthält das Konzept der Regierungsparteien „unerfüllbare Programmsätze“. Der CDU-Entwurf werde sich kaum von der jetzigen Verfassung unterscheiden, da diese sich „in mehr als 40 Jahren außerordentlich bewährt“ habe. Die Unionsabgeordeten bemängelten vor allem die vorgesehene Stärkung der Entscheidungsrechte der Bürger. Für die FDP kündigte Friedrich-Theodor Hruska ebenfalls einen eigenen Entwurf an. dpa