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Herrschaft über die Gummiringe

■ Bei den Deutschen Meisterschaften im Ringtennis zeigten die Schwaben mehr Geschicklichkeit als unsere Reporterin in dem vom öden Kinderspiel zum Hochleistungssport mutierten Zeitvertreib

Wilmersdorf. Das Leben hat es gut gemeint mit Erich, dem verdienten Riesenteddybären des Volkes. Während seine Genossen von der Stasi an offizielle Staatsgäste verschenkt wurden, fand er nach der Wende und einem kurzen Aufenthalt im DDR- Ramschladen Normannenstraße einen neuen Wirkungsbereich. Er wurde offizielles Maskottchen des Berliner Ringtennisvereins „Helios“ und durfte an diesem Wochenende sogar über die von seinem Club ausgerichteten Deutschen Mannschaftsmeisterschaften wachen. Ringtennis?

Ringtennis! Dem Berliner Publikum bislang aufgrund der hiesigen, etwas kleinen, Aktivenzahl (20) eher unbekannt, erfreut sich dieser Sport besonders in Süddeutschland und in FKK-Kreisen großer Beliebtheit. Etwaige Vorstellungen von ringförmigen Tennisbällen oder Tennis im Kreis verflüchtigen sich jedoch schnell, erfährt man Näheres über das Gerät: ein simpler Gummiwurfring. Ähnlich den blauen oder roten Spielzeugen, die an heißen Sommernachmittagen immer irgendeine Mami der im Garten gelangweilt vor sich hindumpfenden Kinderschar als Beschäftigungsvorschlag präsentierte und die neben dem Hula-Hoop- Reifen den Gipfelpunkt menschlicher Ödnis darstellten.

Aber bei den in der Marcel-Grateau-Oberschule versammelten Ranglisten-Ersten sah das ziemlich blöde Kinderspiel natürlich völlig anders aus als im richtigen Leben. Nix den Ring einfach übers Netz schleudern und abwarten, was passiert — nein, mit graziösen Bewegungen wird das Sportgerät exakt plaziert, fliegt elegant wundersame Bögen, während der Gegner wie Boris nach ihm hechtet. »Verdammt schwierig« sei dies alles, versichert Peter Senftleben, der Landesfachwart, aber das kann so nicht sein.

Selbstversuch Ringtennis ist angesagt, schließlich hat man ja mehrere Jahre Turnverein hinter sich. Der amtierende Deutsche Meister war zwar leider unabkömmlich (»Der isch im Hotel. Der isch scho voll!«), aber mit Christian Herzog stand immerhin ein ehemaliger Crack zur Verfügung. Sein erster Wurf kann glatt gefangen werden, aber »laß das sofort sein!«, sagt irgendein bisher völlig unbekannter Armmuskel. Egal, Schwung holen, dabei elastisch mitfedern und — schwupp! — liegt der Ring auch schon auf dem Boden. Es ist zum Verzweifeln. Jeder Wurf, der Aussicht hätte, über das Netz zu fliegen, müßte von einem halbwegs wachsamen Schiedsrichter sofort abgepfiffen werden, denn es handelt sich bei ihm todsicher um einen »Wackelring« gemäß Punkt 7.2.4 der amtlichen Spielregeln.

Sich nach einem gefangenen Wurf erst mal ganz furchtbar zu freuen ist übrigens auch verboten, da das Fangen und das Werfen in eine fließende Bewegung überzugehen haben. Daß dies praktisch unmöglich ist, interessiert das Regelhandbuch natürlich überhaupt nicht, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, die ein normal begabter Mensch mit gedrallten Flachringen und kurzen Stopps erst haben muß. Der ganze Körper ist gefordert, und daher bestehen auch überall an diesem ganzen Körper Verletzungsmöglichkeiten, besonders bei den großen Einzelturnieren, wo der Spieler auf bis zu acht Stunden effektiver Spielzeit kommt.

Ob sich der Entdecker dieses Spieles, der Karlsruher Bürgermeister Schneider, der in den zwanziger Jahren anläßlich einer Schiffsfahrt nach Amerika Bekanntschaft mit Decktennis machte und es dann an Land zum Ringtennis mutieren ließ, je hätte träumen lassen, daß sein Sport eines Tages von fünftausend Menschen in hundert Vereinen gespielt wird? Mittlerweile ist man Mitglied im Deutschen Turnerbund und demonstriert Ringtennis bei Turnfesten usw.

Teddy Erich wird allerdings auch weiterhin nicht viel von der Welt sehen. Außer in Deutschland wird Ringtennis nur noch in Südafrika gespielt. Elke Wittich

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