: Hot Hochzeitsjazz
■ Dickes Ivo Papasov samt seinem Orchester heizte montags die Schauburg
Der Jazz liebt ungewöhnliche Romanzen, deshalb hat er viele exotische Nachkommen in aller Herren Länder. Solch ein neuentdecktes, quicklebendiges Ziehkind ist die „Hochzeitsmusik“ des Klarinettisten Ivo Papasov und seines Orchesters: eine Mischung aus bulgarischer Volksmusik, Jazz und Rock.
Auf bulgarischen Hochzeiten muß es wild zugehen, denn Ivo und seine Band rasen in einem irren Tempo und mit atemberaubender Virtuosität durch die Kompositionen. In ihnen werden die traditionellen Musikstile des Balkan sehr laut, rauh und frei mit dem Jazz verkuppelt. Freie Improvisationen, Einflüsse von Benny Goodman und Klänge aus der Türkei, aus Griechenland oder Arabien feiern in Papasovs Klarinettenspiel eine ziemlich zügellose Hochzeit.
„Wir jagen ihn wie Hunde, denen die Zungen aus den Maul hän
hierhin bitte die
Musikanten
mit Akkordeon
gen“, hat der Saxophonist mal gesagt. „Haben sie schon mal gesehen wie ein gejagtes wildes Kaninchen rennt? Es läuft im Zickzack, schlägt Haken, hoppelt im Achter- oder Sechzehner-Takt. So spielt Ivo.“ Und seine Band bleibt ihm bei jeder Finte dicht an den Fersen und läßt sich selbst von den vielen hochkomplizierten Taktwechseln keineswegs abhängen.
Baß, Schlagzeug, Saxophon, Akkordeon und Synthesizer spielen mit der gleichen Kraft, Hitze und Wildheit alle Mauern zwischen den Musikstilen über den Haufen. Bei einigen Liedern singt Papasovs Gattin Maria Karafizieva mit, deren thrakischer Stil mit viel Vibrato an den Frauenchor „Voix Bulgares“ erinnert.
Der dickbäuchige, rotköpfige Papasov, seine Frau in knallbunter Tracht, dazu seine bärbeißigen, meist vollbärtigen Bandmitglieder sehen für unsere Augen genauso exotisch aus wie sie klingen. In Bulgarien sind sie's gewohnt, bei Hochzeiten aufzuspielen; dort gilt es als höchstes Vergnügen, zu Papasovs Kapelle zu tanzen und zu feiern. In der Schauburg dagegen saß den Bulgaren ein artig lauschendes Publikum in nur halbwegs gefüllten Stuhlreihen gegenüber. Sein durchaus begeisterter, aber doch sehr gesitteter Applaus muß auf die Musikanten genauso fremdartig gewirkt haben. Willy Taub
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