: Am Ende!
■ Das Berliner Glühlampenwerk Narva ist totprivatisiert
Am Ende! Das Berliner Glühlampenwerk Narva ist totprivatisiert
Osram und Philips haben es geschafft: Der erste Konkurrent im Osten ist so gut wie beseitigt. Gestern verkündete die Treuhand, daß der einstige Ostberliner Renommierbetrieb zur Herstellung von Lichtquellen an den Münchner Immobilien-Entwickler Härtl verkauft wird. Und diese Entscheidung wird — zum Entsetzen vieler — sogar vom Narva-Betriebsrat mitgetragen, dem Härtl vertraglich zusichern wird, alle jetzt noch im Berliner Glühlampenwerk beschäftigten 1080 Arbeitnehmer in seinem „Narva-Technopark“ zu übernehmen. Von da aus werden sie dann in verschiedene Kleinunternehmen überführt werden.
Die Berliner SPD ist „über diese Situation empört“, und das Bündnis 90/Grüne sprach im Wirtschaftsausschuß des Senats gar von einer „Katastrophe“. Man war sich dort sogar mit der CDU einig, daß dies eigentlich „ein exemplarischer Fall für eine Sanierung statt einer Privatisierung“ gewesen wäre — wenn, ja wenn der Betriebsrat und die Narva-Belegschaft nicht des ständigen Hin und Her seit der Wende müde geworden wären und sich deswegen schlußendlich eher ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende wünschten. Von der IG Metall mußte sich die Treuhand vorwerfen lassen, daß sie damit „industriepolitisch vor einem Scherbenhaufen“ stehe.
Tatsache ist, daß Ende Januar alle industriellen Bewerber um Narva absprangen, nachdem Philips ihnen deutlich die „Lizenzproblematik“ bei der einzig noch ertragreichen Narva-Energiesparlampe vor Augen geführt hatte. Wie die letzte Ironie eines Stücks Betriebsgeschichte mutet es an, daß diese lizenzbelastete Narva-Lampe gerade in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift 'Test‘ von der Stiftung Warentest als in technischer Hinsicht den Osram-Energiesparlampen überlegen bewertet wurde. Ähnliches läßt sich auch über die Narva- Allgebrauchslampen sagen, die seit der Netzspannungserhöhung ca. 300 Stunden länger halten als die von Osram und Philips. Sie wurden bereits vor Monaten an die neue EG-Norm angepaßt, während die beiden West-Konzerne dies erst für 1993 versprochen haben.
Zwar gehen jetzt demnächst bei Narva die Lichter aus, wie man so sagt, aber der Kampf um die Arbeitsplätze ist damit noch nicht zu Ende — im Gegenteil: Alle bisherigen Erfahrungen mit mittelständischen bayrischen Unternehmern in der Ex- DDR sprechen dafür, daß es jetzt erst richtig losgeht — und zwar unter erschwerten Bedingungen: ohne den hohen Narva-Symbolgehalt im Rücken und der damit verbundenen großen öffentlichen Aufmerksamkeit. Helmut Höge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen