: Darf ein deutscher Muslim die Bundesrepublik im Ausland vertreten?
Kontroverse um ein Buch des Bonner Botschafters in Rabat/ Seine Ausführungen über den Islam könnten in weiten Teilen auch aus einer erzkatholischen Feder stammen ■ Von Thomas Dreger
Bonns Mann in der marokkanischen Hauptstadt Rabat ist kein Botschafter wie jeder andere. Der 60jährige Dr. jur. Wilfried Hofmann ist nicht nur parteilos, sondern auch noch der einzige Muslim in Genschers Diplomatenstall. Daß er jetzt in einem Buch seinen Glauben „als Alternative zur postindustriellen westlichen Gesellschaft“ anpreist, veranlaßte das ARD-Kulturmagazin titel, thesen, temperamente und 'Bild am Sonntag‘ zu einem medialen Kreuzzug gegen den Autor im besonderen und den Islam im allgemeinen.
Besonderen Anstoß nahmen beide Redaktionen an Hofmanns Kapitel „Die Frau in der Gesellschaft“. Murad Hofmann, wie er sich seit seiner Konvertierung zum sunnitischen Islam im Jahre 1980 nennt, beschäftigt sich dort mit jenem verhängnisvollen 34. Vers der vierten Koransure, in dem es bezeichnenderweise an die Männer gerichtet heißt: „...Die rechtschaffenden Frauen sind demütig ergeben und bewahren das, was geheimgehalten werden soll, da Gott es geheimhält. Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit befürchtet, und entfernt euch von den Schlafgemächern und schlagt sie. Wenn sie euch gehorchen, dann wendet nichts weiteres gegen sie an...“ In jeder seriösen Übersetzung des Koran findet man hinter den Worten „...und schlagt sie“ ein Sternchen und in einer Anmerkung umfangreiche Hinweise auf die verschiedensten Interpretationen, wann und wie geschlagen werden darf und ob nicht schon durch eine Geste der Schlagandrohung dem Gebot Genüge geleistet sei.
Auf solche eher zweifelhaften Versuche, das vor 1400 in einer patriarchalischen Nomadengesellschaft entstandene Werk von dem Verdacht der Frauendiskriminierung reinzuwaschen, geht Hofmann in seinem Buch ein. Muhammed selbst habe jegliche Form der Züchtigung abgelehnt, so der Autor, was für jeden Muslim Grund sein müsse, dies ebenfalls zu tun. Aber solche Zeilen interessierten weder ttt noch 'BamS‘. Das TV- Magazin beschränkte sich darauf, Fragmente eines Hofmann-Interviews mit Bildern seines Swimmingpools zusammenzuschnippeln, und eine Stimme aus dem Off erläuterte seine Zitate in zugespitzter Weise. Einige Zuschauer empfanden dies als eine Diskriminierung des Islam. Demgegenüber rief 'BamS‘ am letzten Sonntag zur christlichen Variante des Dschihad: „Unglaublich! Genschers Botschafter in Marokko will unseren freiheitlich demokratischen Rechtsstaat durch das Recht der Mullahs, nach dem Männer ihre Frauen schlagen dürfen und Dieben die Hand abgehackt wird, ersetzen.“ 'BamS‘- Autorin Barbara Schmid machte sich die Mühe, Buchzitate systematisch zu selektieren und zu verkürzen, um ihren Lesern auch ja keine Chance zu geben, zu erfahren, was in dem „haarsträubenden Plädoyer gegen unsere westliche Welt“ eigentlich steht: „Der Botschafter ist natürlich auch für die Vielehe und behauptet, daß sie auch nach deutschem Recht nicht mehr ,sittenwidrig‘ sei. Das wird Bülben Hofmann wenig freuen. Die Türkin ist bisher (noch) seine einzige Ehefrau.“ In dem umstrittenen Kapitel steht aber auch: „...man kann daher zu Recht behaupten, daß dem Koran eine Tendenz zur Monogamie innewohnt...“ Und später: „Wer dies beherzigt, muß zu der Feststellung kommen, daß die Praxis der Mehrehe, wie sie an den Höfen der kleinen und großen Kalifen, Sultane und Emire während der Vergangenheit praktiziert worden ist, niemals vom Koran gedeckt, also stets willkürlich, unmenschlich und damit unislamisch war.“
Zum abendländischen Schlag gegen Hofmann holte exklusiv für 'BamS‘ Herta Däubler-Gmelin aus. Gegenüber dem nicht selten derb-sexistischen Po- und Busenblatt forderte die stellvertretende SPD-Vorsitzende die sofortige Absetzung des „ziemlich einfältigen deutschen Machos“.
Die Ausführungen des fest auf dem Boden des klassischen Islam stehenden Hofmann sind konservativ bis spießig. „Entfesselten Sex“ lehnt er ab und schwärmt von dem „Glück von Mann und Frau“, das in deren „Polarität“ wurzele. Damit liefert seine Lehre kaum die angekündigte „Alternative“ zum Ist-Zustand und könnte in weiten Teilen auch von einem konservativ-katholischen Diplomaten geschrieben worden sein.
Auch Genscher und Co. kamen offenbar nach der Lektüre von Der Islam als Alternative zu der Diagnose: „absolut staatstragend“. An einen Rausschmiß Hofmanns wird im Bonner Außenamt nicht gedacht. Gewinner ist derzeit ein Münchner Kleinverlag, dessen mittelmäßiges Buch morgen auf den Markt kommt.
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