piwik no script img

„Oktoberrevolution“ in Hessen?

CDU mokiert sich über die Bilanz von Ministerpräsident Eichel nach einem Jahr Reformpolitik in Hessen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — „Hans, das hast du gut gemacht!“ Mit Handschlag dankte Umweltminister Joschka Fischer seinem Ministerpräsidenten Eichel für eine mit Biß vorgetragene Regierungserklärung zu einem Jahr „sozial-ökologischer Reformpolitik“ in Hessen — und die Fraktionen von SPD und Grünen spendeten minutenlangen Beifall.

Aus „Respekt vor dem Parlament“, so Eichel zur taz, habe er seinen ersten Bilanzstrich „ganz bewußt“ vor dem Landtag gezogen: Neue LehrerInnen eingestellt, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau aufgestockt, attraktive Aufstiegsmöglichkeiten bei der Polizei verordnet, im Hoch- und Fachhochschulbereich neue Professoren- und Assistentenstellen eingerichtet, ein Sonderabfall-Abgabegesetz geschaffen und Zeichen in der Atom-, der Asyl- und der Verkehrspolitik gesetzt.

Der auch in den eigenen Reihen als „graue Maus“ gehandelte Ministerpräsident, den selbst der 'Vorwärts‘ bei der Vorstellung der SPD- Ministerpräsidenten schlicht vergessen hatte, baffte zur Überraschung des Auditoriums Zwischenrufer aus den Reihen der Union im Stile eines abgeklärten Polit-Tycoons an — eine neue Rolle für den braven Nordhessen, an dessen Image seine Berater um Regierungssprecher Stather noch immer feilen.

Für Oppositionsführer Manfred Kanther (CDU), den Joschka Fischer kürzlich ein „schwarzes Gummibärchen“ nannte, hat diese sozial- ökologische Regierung dagegen nur „kleinste Karos gestrickt“ — „auch wenn Eichel hier mit der revolutionären Ballonmütze aufgetreten ist.“ Wenn man dem Ministerpräsidenten zuhöre, so Kanther, gewinne man den Eindruck, daß die Machtübernahme von SPD und Grünen in Hessen eine Art politische „Oktoberrevolution“ gewesen sei. Doch tatsächlich seien in diesem ersten Jahr nur „allerkleinste Mäuschen geboren“ worden.

Nach „anderthalbstundenlangen Sprechblasen“ blieben von den angeblichen Erfolgen der rot-grünen Koalition nur zwei tatsächlich wahrnehmbare Maßnahmen übrig: „Die Reformen bei der Polizei und die Fehlbelegungsabgabe.“ Ansonsten, so Kanther, würden von Eichel lediglich die Vorlagen von Oskar Lafontaine in Hessen „bis zum Exzeß durchgeritten“.

Die „Visionen“ dieser Landesregierung, die Kanther einklagte, benannte anschließend der SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Klemm so: Hessen müsse moderner Wirtschaftsstandort bleiben, auf eigenständige Entwicklungsperspektiven für die verschiedenen Regionen des Landes setzen, für soziale Gerechtigkeit sorgen und den ökologischen Umbau wagen. Mit einer Einschränkung: No money — no honey.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen