: Tumult beim Daviscup
■ Beim Viertelfinale geht das Temperament mit den Brasilianern durch: Schuhe flogen von den Rängen
Hamburg (dpa/taz) — Tropische Regenfälle, Zuschauer-Krawalle und eine erneut chaotische Organisation begleiteten das Daviscup- Viertelfinale zwischen Brasilien und Italien. Nach dem zweiten Tag steht es zwischen dem Deutschland-Bezwinger aus Südamerika und den Azzuri in Maceio erst 1:1. Am Samstag setzte zunächst ein heftiges Unwetter mit Sturmböen den Sandplatz sowie das angrenzende Pressezentrum unter Wasser. Die elektrische Anlage fiel aus, die Telefonverbindungen brachen zeitweise zusammen. 6.500 Besucher sangen im Regen.
Erst am späten Nachmittag war der Platz wieder bespielbar: Jaime Oncins, der mit Siegen über Carl- Uwe Steeb und Markus Zoecke Daviscup-Held gegen Deutschland war, setzte sich in einem fast sechs Stunden dauernden Krimi unter Flutlicht gegen Paolo Cane mit 7:6 (6:4), 4:6, 5:7, 7:5, 6:3 durch. Am Freitag hatte Omar Camporese die Italiener durch einen Fünf-Satz- Sieg über Luiz Mattar in Führung gebracht. In dem Marathon-Match über 5:45 Stunden trotzte der Italiener den katastrophalen Zuständen und dem fanatischen Publikum und wehrte insgesamt fünf Matchbälle und einen Schuhwurf gegen seinen Kopf ab.
Der nahezu mittellose brasilianische Tennis-Verband muß nun mit einer drastischen Bestrafung durch den Weltverband ITF rechnen. Die ITF hatte die Südamerikaner bereits nach dem Match gegen Deutschland mit einer Geldbuße von 27.000 Dollar belegt und im Wiederholungsfall mit dem Entzug des Heimrechts gedroht.
Bei den drei anderen Viertelfinal-Begegnungen qualifizierten sich die Schweden als erstes Team für die Vorschlußrunde. Die Skandinavier waren in Lund gegen Australien schon am Samstag nicht mehr einzuholen, nachdem Magnus Gustafsson/Stefan Edberg mit einem ungefährdeten 6:3, 6:3, 3:6, 6:1 über John Fitzgerald/Todd Woodbridge für den 3:0-Vorsprung gesorgt hatten.
Wahrscheinlicher Halbfinal- Gegner der Schweden ist Rekordsieger USA. John McEnroe/Rick Leach verloren zwar in Fort Myers im Doppel gegen die Tschechoslowaken Petr Korda/Cyril Suk glatt mit 2:6, 4:6, 4:6. Doch vor den abschließenden Einzeln zwischen Pete Sampras und Korda sowie Andre Agassi und Karel Novacek liegen die Gastgeber mit 2:1 in Front. „Nur ein Wunder kann uns da helfen“, räumte CSFR-Teamkapitän Tomas Smid, Boris Beckers Coach auf Abwegen, ein.
Alles offen ist wieder im Duell zwischen Cup-Verteidiger Frankreich und der Schweiz (1:2). Nach dem verpatzten Auftakt mit den Einzel-Niederlagen von Arnaud Boetsch gegen Jakob Hlasek und Thierry Champion gegen Marc Rosset sorgten Guy Forget und Henri Leconte wieder für Hoffnung bei Teamkapitän Yannick Noah. Die „Musketiere von Lyon“ gewannen das Doppel gegen Hlasek/Rosset nach 4:14 Stunden und einem 0:2-Satzrückstand mit 4:6, 4:6, 6:2, 7:6 (7:5), 6:4. Der 28jährige Leconte lief im Amphietheater von Nimes zu einsamer Form auf, putschte sich, den handgelenksmaroden Guy Forget und das Publikum total auf und steigerte sich am Ende in einem wahren Spielrausch. Man fragt sich nur, warum Yannick Noah den wilden Henri nicht fürs Einzel nominiert hat, wie einst in Lyon: Selbst mit hochgebundenem Bein würde Leconte die Gegner beeindrucken, wenn er, in altbekannter Nußknackerpose, enthemmt übers Netz schreit.
Viertelfinale: Frankreich - Schweiz 1:2, Arnaud Boetsch - Jakob Hlasek 3:6, 6:7 (3:7), 4:6, 6:7 (4:7); Thierry Champion - Marc Rosset 4:6, 4:6, 6:4, 2:6; Guy Forget/Henri Leconte - Hlasek/Rosset 4:6, 4:6, 6:2, 7:6 (7:5), 6:4.
USA - CSFR 2:1, Pete Sampras - Karel Novacek 6:3, 6:4, 6:2; Andre Agassi - Petr Korda 6:2, 6:4, 6:1; John McEnroe/Rick Leach - Korda/Cyril Suk 2:6, 4:6, 4:6.
Schweden - Australien 3:0; Magnus Gustafsson - Wally Masur 7:5, 6:4, 6:4; Stefan Edberg - Richard Fromberg 6:3, 6:2, 6:3. Edberg/Anders Järryd - John Fitzgerald/Todd Woodbridge 6:3, 6:3, 3:6, 6:1.
Brasilien - Italien 1:1, Luiz Mattar - Omar Camporese 3:6, 7:5, 4:6. 7:6 (11:9), 4:6; Jaime Oncins - Paolo Cane 7:6 (7:4), 4:6, 5:7, 7:5, 6:3.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen