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Hudeltexte

■ Lust auf Lesen mit komischem Kafka / Ralph Gätkes „Animiertexte“, 2.Band

Welch seltener Glücksfall, dieser Ralph Gätke: ein Bibliothekar, an der Uni Oldenburg zumal, Leiter der Germanistik-Abteilung, also einer der staubköpfigen Sauertöpfe mit Sonderausleih-Befugnis? Mitnichten! Ein heiteres Wesen voll Liebe zum verwalteten Gegenstand, dem Buch. Zuviel Liebe für einen, also muß er mitteilen, was ihm gefällt, und macht regelmäßig seit 1984 im Zeitungs-Lesesaal der UB kleine Ausstellungen zu geschätzten Literaten: Kurzporträts mit Leseprobe. Seit '86 versammelt Gätke die Texte in gebetbuchgroßen Bändchen für Bett, Klo und Jackentasche.

„Komisch wie Franz Kafka“ heißt der zweite Band von „Animiertexten“, die Gätke jetzt vorlegt. Wer sich über den Titel wundert, verrät, daß er kein Titanic- Leser ist: Eckhard Henscheid kämpft seit Jahren für eine neue Kafka-Rezeption, und Gätke mischt da kräftig mit. Und hat im Handumdrehn Lust auf zwei Autoren gemacht.

Und erst Nabakov, der Adelkopf! Dessen Komik besonders gern vor dem Hintergrund biographischer Katastrophen blüht. Der Autor von „Lolila“ wird hier mit seinem „Professor Pnin“ und autobiographischen Häppchen aus „Sprich, Erinnerung, sprich“ vorgestellt. Echt englisch dagegen der überaus böse „Saki“, d.i. Hector Hugh Munro (1870-1916). Gätke zeigt, wie der Autor sich mit seinen Texten eigentlich immerfort an seinen herrschsüchtigen Tanten rächt.

Ein eindeutiger Fall von Amtsanmaßung ist allerdings Gätkes Versuch, Robert Gernhard heiligzusprechen. Der „hochreflektierte Erzähler“ kommt hier mit seinem Produkt „Es gibt kein richtiges Leben im valschen“ zu

hierhin den

glutäugigen Kafka

Kafka, Franz, der Schlingel

Wort, wo es z.B. um diese Geschichte mit der korrekten Entsorgung eines Teebeutels geht. Oder um Arbeitarbeit. Und lauter andere Scherze. Und nochmal Titanic: Bernd Eilerts (“Die sieben peinlichsten Persönlichkeiten des Monats“) und sein Hausbuch der literarischen Hochkomik. U.a. Schrilles von Eckermann und Goethe.

Es sind erklärtermaßen Hudeltexte, die Gätke schreibt: „Sie wollen die vorgestellten Autoren von ihrer besten Seite zeigen.“ Ob sie in ihrem animativen Charakter so funktionieren, daß sich Germanistik-StudentInnen und andere Interessierte die Originaltexte besorgen? Die naheliegende Vermutung ist, daß Mißbrauch getrieben wird in der Art: Die Bücher brauchen wir schon mal nicht mehr zu lesen! Bus

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