: „Notverkauf“ des Autos — Gefangener wird von der Staatsanwaltschaft beklaut
■ Für 20% des Zeitwertes verschwindet der BMW eines polnischen Gefangenen / Gericht gibt Namen des Käufers nicht preis
Als ich 87 zu Hause verhaftet wurde, beschlagnahmte man gleichzeitig meinen PKW BMW 318i. Dieser hatte zur damaligen Zeit einen Wert von 28.000 DM. Das Auto wurde auf einem Polizeiparkplatz abgestellt und somit meiner Frau und dreieinhalbjährigen Tochter das Fortbewegungsmittel entzogen, ohne daß ein Grund dazu bestanden hätte. Trotz Einsatz meiner Anwälte und zahlreicher Anträge meinerseits gelang esmir nicht, bis zu. 8. März 91 das Auto aus den Krallen der Justiz zu entreißen. Am 8. März wurde das Urteil „im Namen des Volkes“ gefällt. Gleichzeitig wurde der PKW auf Antrag der Staatsanwaltschaft freigegeben. Der Staatsanwalt Hein erklärte „da es nicht nachzuweisen ist, daß die Aussage des Zeugen Bernatowicz (er widerrief seine Aussage schriftlich, siehe auch taz vom....) bezüglich des BMW der Wahrheit entspricht, ist dieser freizugeben!“ Auf meine Frage an das Gericht, wo mein Auto abgeholt werden könnte, lachte das gesamte Gericht hämisch und der Beisitzende Richter bemerkte: „Das Auto ist bereits verkauft! Weitere Auskünfte erhalten Sie bei der Staatsanwaltschaft.“
Als ich den Staatsanwalt Hein mit meiner Frage quälte, wie ich nun zu dem Verkaufserlös — also zu den mir zugesprochenen berechtigten Ansprüchen — komme, antwortete dieser im Hinausgehen aus dem Gerichtssaal wörtlich: „Schriftlich!“.
Seit dem 8. März versuche ich nun mit einem Einsatz von vier Anwälten diese so „schwere Sache“ zu bewältigen. Da diesen kein Erfolg beschieden war, versuchte ich mit entsprechenden Anträgen und zwangsläufig nachfolgend mit Dienstaufsichtsbeschwerden beim Justizminister, beim Oberlandesgerichtspräsidenten in Düsseldorf, sowie beim Landgerichtspräsidenten in Duisburg erst einmal eine Antwort zu bekommen, wie ich denn nun den Gegenwert erhalte. Mit Beschluß vom 16. Dezember 91, also nach Ablauf von ca. zehn Monaten, wurde mir mitgeteilt, daß mein PKW am 10. August 1988 durch eine NOTVERÄUSSERUNG für 5.537,60 Mark verkauft wurde! Notveräußerung — für wen?!
An dieser Stelle erinnere ich an den Vorwurf, den man dem DDR- Rechtsanwalt und Unterhändler mit der BRD im Gefangenengekungel, Dr.Vogel, kürzlich bei seiner Verhaftung machte. Er soll das Eigentum gefangengenommener und in die BRD abgeschobener Bürger in seinem Bekanntenkreis, innerhalb der Partei und Justiz- sowie Stasi-Kreise zu lächerlichen 20 Prozent des authentischen Preises verkauft haben. Stellt sich hier nicht die Frage: Welche Notveräußerung“ ist in der BRD strafwürdig? Die „Notveräußerung“ der früheren DDR, wo der Betrogene seine Freiheit und ein Fünftel seiner Habe bei der Entlassung in die Freiheit erhielt, oder die „Notveräußerung“ ohne jede Not, bei der ich auch noch um den Erlös gebracht werden soll?
Mittlerweile mußte ich den Betrag, den ich noch gar nicht habe, an meinen Anwalt abtreten, um die Kosten, die durch dieses Hin und Her entstanden waren, abzudecken. Nachdem nun die Staatsanwaltschaft hier in Duisburg in Erfahrung bringt, daß dieser Betrag kurz vor der Auszahlung steht, stellen sie sich vor die Auszahlung und geben vor, nochmals prüfen zu müssen, ob nicht noch irgendwelche Forderungen der Justizbehörden vorliegen. Wahrscheinlich hatten sie in dem Jahr zwischen Freigabe und Fast-Auszahlung gerade mal keine Zeit. Oder sollten sie gedacht haben, wir zeigen mal diesem Polen, was wir alles können? Wo ist hier der Unterschied zu den Machenschaften der früheren DDR und seiner Rechtsorgane? Weder bin ich entmündigt, noch sind evtl. Forderungen vorhanden, die vorrangig vor der meines Anwaltes sind. Selbst wenn meine Verurteilung rechtskräftig würde — was nach der gängigen Rechtssprechung nicht möglich sein darf — wäre die Rechnungsstellung für die Gerichtskosten nachrangig.
Vielleicht bin ich auch an allem selber schuld, daß ich mein Eigentum haben will, bzw. den verbliebenen Rest. Denn, derjenige, der das Auto „kaufte“ — wer das ist, wird von den Behörden immer noch verdunkelt! — braucht schließlich auch ein Auto. Und die 5.537, 60 Mark sind bestimmt schon von 1988 bis 1991 an Sprit verbraucht worden!
Nachzutragen ist noch, daß mit Beschluß vom 31. Oktober 91 die 14. Strafkammer (AZ Ls 29/88) anweist: „Der Erlös ist an den Angeklagten zu Händen seines Verteidigers auszukehren!“
Liebes Volk, werde endlich wach und denke nicht, daß es dir nicht geschehen kann, weil du ja nichts Ungesetzliches tust! Wer erst einmal hier ist, hat zum Einfluß auf solche Machenschaften keine Möglichkeit mehr. W. B., JVA Duisburg
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