: Heinrich Korves und die Millionengräber
■ Skandalumwitterter Stadtbaurat vor dem Aus / Bürgermeister wußte von rechtswidriger Praxis
CDU, Grüne und FDP halten den Mann für unhaltbar. Der SPD- Vorstand will sehen, wie man ihn am besten loswird. Die Rede ist von Bremerhavens Stadtbaurat Heinrich Korves. Seit 16 Jahren ist er in Bremerhavens Stadtregierung, dem Magistrat, für die Baupolitik verantwortlich, und er hat in der Zeit ein so langes Sündenregister zusammenregiert, daß jetzt das Ende seiner Tätigkeit nahen könnte.
Der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringen könnte, stammt vom Bremerhavener Rechnungsprüfungsamt, das auf 27 Seiten die rechtswidrige Praxis bei der Abrechnung von Erschließungsbeiträgen in Gewerbegebieten dokumentiert hat. Unter der Verantwortung von Korves hatte die Stadt Bremerhaven vom Land Bremen Millionen für Straßen- und Kanalbau in Gewerbegebieten kassiert. Diese Gelder wurden aber nicht dazu benutzt, um den Betrieben die Ansiedlung zu erleichtern, sondern landeten letztlich im Stadtsäckel. Die Anlieger mußten nämlich die vollen Erschließungsgebühren zahlen. „Obwohl die damit zusammenhängenden rechtlichen Probleme schon frühzeitig erkannt wurden, gab es nur sehr unzureichende Versuche, eine rechtlich vertretbare Lösung zu finden“, urteilt das Rechnungsprüfungsamt. Die Folge: Auf die Stadt kommen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe zu.
Daß dabei nicht nur rechtlich bedenklich, sondern auch verwaltungstechnisch unglaublich schlurig gearbeitet wurde, geht aus einem Eingständnis des verantwortlichen Baustadtrates Korves selbst hervor: Der hat zugegeben, daß von den 31 Millionen Mark, die das Land zwischen 1971 und 1983 für Straßen-und Kanalbau überwiesen hat, der „größte Teil“ bislang nicht einmal abgerechnet worden ist.
Der Skandal um die Erschließungsbeiträge ist dabei nur das I-Tüpfelchen auf einer ganzen Reihe von Affäiren die der 58jährige Korves zu verantworten hat. Bereits 1967 wurde er Leiter des Bauordnungsamtes. Mitte der 70ger Jahre wurde der SPD- Mann dann Stadtbaurat gewählt. Trotz erheblicher Zweifel an seiner Kompetenz wurde er von der SPD noch ein zweites Mal für 12 Jahre durchgesetzt. Acht Jahre seiner Amtszeit stehen noch aus, vorausgesetzt er übersteht den Mißtrauensantrag, den die CDU am Donnerstag eingebracht hat.
1987 hatte die CDU zum ersten Mal einen Mißtrauensantrag eingebracht. Damals war bekannt geworden, daß städtische Ämter in Zusammenspiel mit der Neuen Heimat mit allen Mitteln versucht hatten, schwer verkäufliche Häuser in Leherheide loszuwerden. An Recht und Gesetz vorbei wurden Kaufinteressenten überredet, auch ohne Eigenkapital diese Häuser zu kaufen. Die Folge waren eine ganze Reihe von Zwangsversteigerungen. Ein Gericht stellte später fest, daß der zuständige Amtsleiter auf politische Weisung gearbeitet habe. Korves überstand den Skandal mit Hilfe der SPD.
Bereits 1988 folgte der nächste Mißtrauensantrag. Damals hatte sich herausgestellt daß der Baukostenvoranschlag für die Strandhalle Bremerhaven auf nichts gestützt war. Der Leiter des Amtes für Bauförderung wurde vom Gericht wegen fortgesetzter Untreue verurteilt. Das Gericht stellt ein seinem Urteil fest, daß der Verurteilte den politischen Willen seiner Vorgesetzten vollzigen habe. Doch dies war nicht alles: Bei der Vergabe von Großaufträgen an die Neue Heimat waren vermeidbare Mehrausgaben von drei bis vier Millionen entstanden. Und weiter: Bei Vergabe von Großaufträgen war ohne Begründung von Ausschreibungen abgesehen worden. Und weiter: Bei der Planung des Morgenstern-Museums waren die Baukosten um mehrere Millionen zu niedrig angesetzt worden.
Bei der geheimen Abstimmung hatte Korves erstmals keine Mehrheit mehr. Doch Folgen hatte dies keine: Erst wenn zwei Drittel der Stadtverordnetenversammlung Korves das Vertrauen entziehen, gilt der Antrag als angenommen. Und selbst dann muß der Stadtbaurat nicht unbedingt gehen. Da er als Wahlbeamter auf 12 Jahre bestellt ist, könnte er sich stur stellen und im Amt bleiben.
Inzwischen ist Korves in die Offensive gegangen. Vergangene Woche stellte er öffentlich fest, daß er keine Konsequenzen ziehgen werde. „Ich bin nicht allein verantwortlich“, sagte er und verwies darauf, daß das Rechtsamt der Stadt die Erschließungskostenpraxis gekannt und gebilligt habe. Zuständig dafür ist Bürgermeister Heinz Brandt.
In diesem Fall hat Korves Recht. So wurde ein Widerspruch mehrerer Grundstückseigentümer gegen die rechtswidrige Abrechnungspraxis 1989 vom Magistrat abgelehnt. Die Vorlage für die Magistratssitzung am 5. 10.1989 ist unterschrieben mit Brandt, Bürgermeister. hbk
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